Von Quantencomputern und Sensoren

Ein Quantensprung in die Zukunft:
Forschungs- und Anwendungsbereiche
Ausgabe
5 min
Katze deren Augenpartie mit einem Cutout menschlicher Augen überdeckt ist

Was ist ein Quantencomputer

Ein vielversprechendes Forschungsgebiet rund um die praxisorientierte Nutzung von Quanteneffekten dreht sich um die Entwicklung von Quantencomputern. Die Grundidee ist bestechend: Quantencomputer arbeiten mit Qubits. Diese speichern mehr Information als binäre Bits, die traditionell als Informationseinheit in Mikrochips dienen. Zusammen mit den Wechselwirkungen verschränkter Quanten sind damit massiv parallele Berechnungen möglich, die heutige Supercomputer weit in den Schatten stellen.

Das Betriebssystem des Universums

Quantenbasierende Anwendungen rechnen nicht nur schneller, sondern eröffnen auch neue IT-Anwendungsbereiche. Aufgrund ihrer Arbeitsweise sind Quantencomputer besonders gut geeignet, komplexe chemische Reaktionen zu simulieren. Sie eröffnen damit der Materialforschung neue Dimensionen und präzisieren Klimamodelle durch Berücksichtigung aller relevanten Parameter.

Das Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Technologies prognostiziert in einer Studie die wirtschaftlichen Perspektiven, gerade auch für den Standort Deutschland: „Mithilfe der Simulation von Molekülen können Autobauer in Zukunft beispielsweise Katalysatoren und Batterien entwickeln, die deutlich effizienter, resilienter und wirtschaftlicher arbeiten.“ Ähnlich revolutionäre Chancen eröffnen sich der Pharmaindustrie: Hier können Quantencomputer individualisierte Medikamente berechnen, die individuell zum Organismus des Patienten passen.

Die Erschaffung von Quanten: Die natürliche Lebensdauer eines angeregten Ionen-Qubits beträgt auch nahe dem absoluten Nullpunkt nur wenige Mikrosekunden.

Pink eingefärbte Hand aus deren Zeigefinger blaue Farbe austritt, die an Wasser erinnert

Vom Teilchen zum Teilchen

Weitere Anwendungsbereiche eröffnen sich der Logistikbranche: Quantenrechner werden zukünftig Routen und Transportwege optimieren, weil sie nicht nur die eigentliche Streckenführung, sondern auch die aktuelle Verkehrslage, das Wetter, den Treibstoffverbrauch, die Routen anderer Fahrer*innen, das Wetter oder auch die Erfahrungen aus bisherigen Auslieferungen berücksichtigen können. Parameter, die in ihrer Komplexität klassische Rechner deutlich überfordern. Gleiches gilt für IT-Netzwerkstrukturen oder auch für den Einsatz industrieller und medizinischer Ressourcen. Auch die Bankenbranche wird profitieren: durch markt- und kundenspezifische Systeme für die Portfoliooptimierung, zielgenaue Risikoanalysen und schnellere Finanzsimulationen.

Kleine Teilchenkunde

Von den alten Griechen bis zu den mittelalterlichen Alchemisten glaubten Forschende, dass sich sämtliche Materialien aus den vier Grundsubstanzen Feuer, Wasser, Erde, Luft zusammensetzen. Ab dem 17. Jahrhundert wurden dann nach und nach die Elemente entdeckt – und damit Stoffe, die chemisch nicht weiter teilbar sind. 

Doch wie sind diese Elemente ihrerseits aufgebaut? Die Erklärung lieferte 1911 das Rutherfordsche Atommodell. Demnach kreisen um einen aus positiv geladenen Protonen bestehenden Atomkern negative Elektronen und zumeist auch Neutronen. Die Anzahl der Protonen sowie die Anzahl der umkreisenden Elektronen bestimmen das jeweilige Element. Das einfachste Element ist Wasserstoff. Er besteht in seiner Reinform aus einem Proton sowie einem Elektron. Das nächste Element ist Helium mit zwei Protonen und zwei Elektronen – usw.

Atome können sich mit anderen verbinden – dabei entstehen Moleküle. Ein einfaches Molekül ist die Verbindung zweier Sauerstoff-Atome zu O2. Sehr komplizierte Moleküle tragen wir beispielsweise in unserem Erbgut: Desoxyribonukleinsäure oder kurz unsere DNA.

Quanten
sind die kleinsten bekannten Teilchen, die typischerweise Quanteneffekte aufweisen. Die Bezeichnung wird „umgangswissenschaftlich“ für die kleinsten nicht teilbaren Teilchen verwendet – für Elektronen beispielsweise. Aber auch die kleinste mögliche Energiemenge wird als Quant bezeichnet. Auf diesen Quanten basiert beispielsweise die Magnetkraft oder auch das kleinste Wellenpaket, aus dem Licht besteht.

Quantentechnologie nutzt unser Verständnis für diese Teilchen und ihre besonderen Eigenschaften.

Sensoren, die auf Moleküle starren

Neben schnelleren Computern und abhörsicherer Kommunikation ermöglicht Quantentechnologie auch wesentlich sensiblere Messgeräte. Quantensensoren können physikalische Größen wie Druck, Temperatur, Magnetfelder oder elektrische Felder präziser erfassen. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF arbeitet beispielsweise an Quantensensoren, mit denen Ärztinnen und Ärzte Stoffwechselprozesse auf molekularer Basis verstehen oder Krebszellen schon bei ihrem ersten Auftreten diagnostizieren können. Das IAF-System arbeitet bereits heute 160-mal effizienter und 40-mal schneller als herkömmliche MRT-Verfahren – und das zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten.

OP und Produktionshallen

Was in der Klinik funktioniert, eignet sich auch für den industriellen Einsatz in Produktionshallen: Über ihre Magnetfeldsignatur können mikroskopische Materialrisse oder Verformungen zerstörungsfrei detektiert werden. Industrieunternehmen haben die Quanten der Zeit ebenfalls erkannt und arbeiten ihrerseits an fertigungsspezifischen Anwendungsbereichen. Das von Bosch gegründete Start-up Quantum Sensing erforscht beispielsweise Brain-Computer Interfaces (BCI), ein weiteres potenzielles Anwendungsfeld für Quantensensoren. Dabei erfassen Sensoren Nervenimpulse und steuern auf dieser Basis medizinische Prothesen – im besten Fall können damit Blinde wieder sehen und Querschnittsgelähmte wieder gehen.

Der von Bosch entwickelte Sensor ist aktuell der kleinste mit der höchsten Messgenauigkeit – nicht größer als ein Handy. „Unser Ziel ist es, Quantensensoren so weit zu miniaturisieren, dass sie sich auf einem Chip integrieren lassen“, erklärt Dr. Katrin Kobe in einer Bosch-Pressemitteilung. Dr. Kobe ist bei Bosch Quantum Sensing für die Kommerzialisierung von Sensoren zuständig. Diese sollen wortwörtlich unter die Haut gehen und permanent jede Veränderung im Stoffwechsel und in der Zellstruktur unseres Körpers messen – was dann jegliche Krankheit von Alzheimer bis zur Zahnwurzelentzündung bereits im Vorfeld und in Echtzeit diagnostizieren könnte. Könnte – so weit ist die Medizinforschung noch nicht. Der prognostizierte Zeithorizont für solche Entwicklungen liegt bei mehreren Jahrzehnten.

Risiken von Quantentechnologien

Neben Chancen bergen Quantenalgorithmen allerdings auch Gefahren. Denn sie besitzen die Rechenkapazität, die meisten der heute verwendeten Verschlüsselungsmethoden zu brechen. Patient*innendaten, E-Banking, Patente – quasi jede verschlüsselte Information im Internet – wären damit im Klartext lesbar. Das könnte bereits in zehn Jahren der Fall sein. Die Lösung gegen den Informations-GAU: Verschlüsselungsprogramme, die auf Quantentechnologie basieren.

Dabei steht ein noch viel größeres Risikopotenzial im Raum: die Kombination von Künstlicher Intelligenz und Quantencomputern. Zuletzt warnten bereits Elon Musk von Tesla, Apple-Gründer Steve Wozniak, Börsenguru Warren Buffet und Sam Altman, der führende Kopf von ChatGPT, gemeinsam vor möglichen Gefahren von KI. Wie sähen Anwendungen aus, die Künstliche Intelligenz plus die Programmierung von unbegrenzter Rechenleistung vereinen? Ein Szenario jenseits unserer aktuellen Vorstellung.
In der Vergangenheit wurde allerdings vor den Folgen jeder der bisher vier industriellen Revolutionen gewarnt: Angefangen bei der Einführung von Webstühlen, gefolgt vom Siegeszug der Automation sowie dem Einsatz von Computern bis hin zur flächendeckenden digitalen Vernetzung – alles erschien einmal bedrohlich. Und Recht behalten haben letztlich die Optimistinnen und Optimisten.

Wie steht es um die globale Verteilung im Bereich der Quantentechnologie? Welche Länder sind führend? Das lesen Sie im nächsten Teil unserer Titelstrecke zur Quantentechnologie.

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