Bits und Bytes werden intelligent
Sie haben heute schon mehrfach Künstliche Intelligenz genutzt – vermutlich ohne es zu wissen und ohne darüber nachzudenken. Zum Beispiel in Form von Alexa oder einer anderen App, die Sie mit den ersten Nachrichten versorgt hat. Oder auf dem Weg zur Arbeit in Form Ihres Navigationsgerätes: Moderne Navis nutzen KI, um Staus, Unfälle oder Baustellen möglichst effizient zu umfahren. Am Schreibtisch angekommen ist jede Ihrer Google-Suchen mit KI verbunden. Ganz zu schweigen von ChatGPT, dem Textgenerator, der nicht nur Webseiten findet, sondern die Inhalte gleich mehr oder weniger intelligent zusammenfasst. Wetter- und Börsenberichte, Sportnachrichten oder andere standardisierte Texte wurden mit ziemlicher Sicherheit ebenfalls nicht mehr von einem menschlichen Autor geschrieben. Andererseits bewahren Sie intelligente Algorithmen vor zu viel Spam und sichern darüber hinaus Ihre Bankgeschäfte ab.
Potenziale der KI
Mit neuen, aufsehenerregenden Anwendungen rückt KI derzeit aus dem Schatten von Hintergrund-Plattformen in den Vordergrund persönlicher Assistenten. Copilot von Microsoft und andere KI-Tools generieren nicht nur Text und Nachrichten, sondern können im Vorfeld eines Meetings beispielsweise treffsicher die zu erwartende Verhandlungstaktik Ihrer Gesprächspartner analysieren, sie schreiben im Anschluss auf Basis Ihrer Notizen einen Besprechungsbericht und generieren dazu gleich noch Folien für Ihre nächste Präsentation – selbstverständlich in jeder beliebigen Sprache von Aserbaidschanisch bis Zapotekisch. Um nur einige wenige Assistenz-Beispiele zu nennen.
Die künftigen Auswirkungen dieser technologischen Revolution sind heute noch nicht annähernd abschätzbar. KI kann und wird die Medizin bei der Diagnose unterstützen, die Effizienz von Unternehmen steigern, den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft minimieren, Unwetter vorhersagen und Bürokratie bürgernäher machen. Der „EP Think Tank“ des Europäischen Parlaments rechnet vor, dass der Einsatz von KI-basierten Systemen die Arbeitsproduktivität bis zum Jahr 2035 um ein Drittel steigern kann. Bis 2030 sollen KI-Anwendungen darüber hinaus automatisch bis zu vier Prozent der globalen Treibhausgasemissionen einsparen. Weitergehende Potenziale sieht das Europäische Parlament bei der Nachhaltigkeit von Produkten oder auch in den Bereichen Bildung, öffentlicher Verkehr, Abfallwirtschaft und Energie.
Lernen, Erfahrungen sammeln, ständig besser werden – KI und Kinder haben ein paar Gemeinsamkeiten.
KI benötigt Regeln
Allerdings sehen nicht alle die Möglichkeiten und Perspektiven Künstlicher Intelligenz ausschließlich positiv. So haben beispielsweise im Frühjahr 2024 mehr als 200 Musikschaffende von Billie Eilish bis Stevie Wonder vor dem Einsatz künstlich erzeugter Klänge gewarnt – das untergrabe die Identität, die Rechte und den Lebensunterhalt von Künstlerinnen und Künstlern. KI-Pionier Geoffrey Hinton, oft als „Godfather of AI“ tituliert, fürchtet inzwischen den Missbrauch der Technologie durch skrupellose Machtmenschen. Mit anderen Worten: Wir müssen lernen, mit Künstlicher Intelligenz zu leben, sie zu regulieren und Missbrauch durch Menschen und Maschinen zu verhindern. Wir brauchen Regeln.
“Wie wir Künstliche Intelligenz heute entwickeln und einsetzen, wird darüber entscheiden, ob sie zur größten Herausforderung unserer Zeit oder zum mächtigsten Treiber für Innovation und Fortschritt wird. Die Zukunft gehört denen, die die Balance zwischen Risiko und Potenzial der KI nachhaltig meistern.”
Dr. Vanessa Just, Mitglied des Vorstands | Regionenleitung Nord & Nord-West | KI Bundesverband e.V.
Selbst gute Songs und sogar Hits können ChatGPT und Co. schon schreiben.
KI definiert KI
Eine Künstliche Intelligenz zu definieren ist schwierig, dazu sind die aktuellen Technologien zu unterschiedlich, die eingesetzte Hard- und Software zu heterogen, die Blickwinkel auf die KI zu divers. ChatGPT definiert KI deshalb maschinell zurückhaltend als einen „Bereich der Informatik, der sich mit der Schaffung von Maschinen und Software befasst, die menschenähnliche Intelligenzfähigkeiten besitzen. Diese Fähigkeiten umfassen das Lernen aus Erfahrung, das Anpassen an neue Informationen, das Verstehen natürlicher Sprache, das Erkennen von Mustern und das Treffen von Entscheidungen.“
Basis jedes KI-Systems sind große Datenmengen, zum Beispiel in Form von Zahlen, Texten, Präsentationen, Programmdaten, Tabellen oder auch nur als handschriftliche Notizen. Diese unstrukturierten Informationen verarbeiten KI-Technologien und leiten daraus Muster ab. Dabei wird das System zumeist durch gezieltes Training und automatische Rückmeldungen aus dem laufenden Betrieb fortwährend optimiert, bis es die Leistungsfähigkeit seiner Schöpfer erreicht oder sogar übertrifft.
Ein Upgrade des Menschen
In neuronalen Netzen optimiert das System dabei nicht nur die eingesetzten Algorithmen, sondern auch auf physischer Ebene die Verschaltung von Hardwareknoten und damit die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems. Unter dem Strich verhalten sich einige KI-Systeme (maschinelles Lernen) deterministisch, also theoretisch vorhersehbar. Generative KI ist nicht-deterministisch, die Ergebnisse bei ein und derselben Abfrage können sich unterscheiden. Praktisch sind die internen, maschinengesteuerten Vorgänge inzwischen derart komplex, dass Menschen sie nur noch eingeschränkt nachvollziehen können.
KI revolutioniert Wirtschaft und Gesellschaft, doch ihr Potenzial ist erst ansatzweise erkennbar. Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es heute? Mehr dazu lesen Sie im zweiten Abschnitt unserer Titelgeschichte.