Europas Kurs für mehr Wettbewerbsfähigkeit braucht die Normung
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Portrait von Katja Krüger
© Eva Häberle

Katja Krüger plädiert für die Stärkung des Normungssystems, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken. 

Erstarkende Wettbewerber in anderen Weltregionen und zuletzt die Ankündigungen über neue Zölle des amerikanischen Präsidenten haben das globale Tauziehen um wirtschaftlichen Erfolg erneut angefeuert. Mit ihrem Wettbewerbskompass (Englisch: Competitiveness Compass) hat die Europäische Kommission vor diesem Hintergrund Ende Januar eine umfassende Strategie vorgelegt, die Innovation, Dekarbonisierung und Sicherheitsbestrebungen in den Mittelpunkt rückt.

Instrument der Kohäsionspolitik

Ein zentrales Vorhaben dabei: Die Integration des Europäischen Binnenmarktes, die zuletzt an Schwung verloren hatte, soll wieder angefeuert werden. Noch in diesem Jahr soll eine umfassende Binnenmarktstrategie vorgelegt werden, mit der noch bestehende Handelshemmnisse abgebaut und der grenzüberschreitende Waren- und Dienstleistungsverkehr vertieft werden soll. Einheitliche Normen und Standards sind ein zentrales Instrument dieser Kohäsionspolitik.

Auch die Normung selbst wird daher in den Vorschlägen der EU-Kommission unter dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit beleuchtet. Die Kommission bemängelt, dass das derzeitige System nicht in der Lage sei, auf schnellere Innovationszyklen bei neuen Technologien wie KI, erneuerbaren Energien oder dem Internet der Dinge (Englisch: Internet of Things) zu reagieren. Es müsse schneller und zugänglicher gemacht werden, insbesondere für KMU und Start-ups. Die Kommission will daher die Normungsverordnung überarbeiten und auch nach alternativen Optionen suchen, um den Unternehmen Rechtssicherheit bei der Einhaltung von EU-Vorschriften zu geben, wenn harmonisierte Normen nicht existieren oder es „dringenden Bedarf“ gibt. Hinter diesem Vorschlag verbergen sich die sogenannten gemeinsamen Spezifikationen (Englisch: Common Specifications), die in den letzten Jahren vermehrt ihren Weg in Produktsicherheitsvorschriften, beispielsweise für Medizinprodukte und Maschinen, und Digitalregulierung wie das KI-Gesetz gefunden haben. Das vermeintlich neue, schnelle Instrument ist in Wahrheit vielmehr ein Rückschritt in längst vergangene Zeiten, hin zum „Old Approach“, bei dem die Kommission selbst technische Detailanforderungen festlegen möchte. 

„Bei der geplanten Überarbeitung der europäischen Normungsverordnung sollte die Kommission daher das bestehende Normungssystem nicht umgehen, sondern stärken.“

International einheitlich

Geht das schneller? Vielleicht. Bildet es die technischen Anforderungen ab? Mehr als fraglich. Inklusiver ist es nicht, denn die Kommission bestimmt, wer und in welchem Umfang in die Erarbeitung von gemeinsamen Spezifikationen eingebunden wird. Ein geregeltes Verfahren, Anforderungen an Transparenz und Inklusivität gibt es für den Erarbeitungsprozess von gemeinsamen Spezifikationen bislang nicht. Einen positiven Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit dürfen wir von diesem Instrument auch nicht erwarten, denn anders als das europäische Normungssystem sind sie nicht an internationale Standards angebunden. Ihr Wirkungskreis ist auf den europäischen Binnenmarkt beschränkt.

Ihr volles Potenzial zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen entfalten technische Anforderungen aber gerade dann, wenn sie international möglichst einheitlich gestaltet sind, frei nach dem ISO-Motto „One standard, one test, accepted everywhere“. Um internationale Normen mit starken Stimmen aus Europa aktiv mitzugestalten, haben CEN und CENELEC bestehende, wirksame Vereinbarungen mit ISO und IEC. Bei der geplanten Überarbeitung der Normungsverordnung sollte die Kommission daher das bestehende Normungssystem nicht umgehen, sondern stärken − beispielsweise durch Instrumente zur Gewinnung neuer Expert*innen, die ihr Wissen in die Standardisierungsarbeit einbringen. Denn in der Normung gilt wie in der Politik: Wer schreibt, der bleibt. Und zum Schreiben muss man mit am Tisch sitzen. Der Wettbewerbsfähigkeit der exportorientierten deutschen Wirtschaft wäre damit mehr geholfen als mit technischer Detailregulierung durch die Europäische Kommission.

Portrait von Katja Krüger

ZUR PERSON

Katja Krüger leitet bei DIN den Bereich Regierungsbeziehungen.

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