Zukunft der Normung

Europa hat gewählt – wohin steuert die Normung?
Ausgabe
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Sibylle Gabler in weißem Pullover vor neutralem Hintergrund, spricht über die Zukunft der Normung in Europa.
© Eva Häberle

Sibylle Gabler über die Rolle der Normung in der nächsten europäischen Legislaturperiode

Die Beteiligung bei der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni war die höchste seit über 30 Jahren – ein mehrheitlicher Auftrag an Parlament und Kommission, den Grundgedanken der gemeinsamen europäischen Ideen und Werte weiterzutragen und mit neuem Leben zu füllen. 
Welche Rolle nimmt die Normung in der nächsten Legislaturperiode ein? Und wie bereiten sich die europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC und deren Mitglieder vor? 

Bekenntnis zum NFL ist essenziell

Das Bekenntnis zum Binnenmarkt und zum New Legislative Framework (NLF) ist eine wesentliche Voraussetzung für Stabilität und Wohlstand in Europa. Kaum ein Instrument ist dabei derart grundlegend wie die Normung und Standardisierung. „Europäische Normen müssen marktorientiert sein, dem öffentlichen Interesse und den politischen Zielen Rechnung tragen“, heißt es in der Europäischen Normungsverordnung. Ein Engagement in der Normung fördert aber auch die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und erhöht das Sicherheits- und Schutzniveau. Nur durch ein kohärentes, integratives Normungssystem können Unternehmen effizient und ohne technische Hindernisse arbeiten und sich letztlich am Weltmarkt behaupten. Die EU-Kommission weiß um den wesentlichen Beitrag der Normung: So hat der designierte Kommissar für den EU-Binnenmarkt Stéphane Séjourné in seinem Mission Letter von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unter anderem den klaren Auftrag bekommen, „die Entwicklung systemischer Normen für unsere Resilienz und den digitalen und grünen Wandel zu beschleunigen.“ Europa brauche eine neue Industriestrategie mit mehr Investitionen und Innovationen. Hierbei dient die Normung als bewährtes, verlässliches Instrument, das neben Wirtschaftswachstum auch die unbedingte Voraussetzung für erfolgreichen Handel schaffen kann: das Vertrauen der Verbraucher. 

Normung für anstehende Herausforderungen nutzen

Im mit Spannung erwarteten Bericht von Mario Draghi über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit (Draghi-Report) fordert auch der ehemalige EZB-Präsident im September, explizit die Normung für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben zu nutzen. Beispielsweise im Umweltbereich durch Normen zur Messung von Product Carbon Footprints sowie zur Einführung des Digitalen Produktpasses. Der Automobilsektor könne von fortschrittlichen Normen in Sachen Ladeinfrastruktur, Recycling und Cybersicherheitssystemen profitieren, und damit seine Wettbewerbsfähigkeit wieder verbessern. So habe zum Beispiel China erfolgreich sein Mobilitätsökosystem standardisiert. „Die Mitgliedstaaten nutzen nicht systematisch die Vorteile der Koordinierung auf EU-Ebene, der Standardisierung und Interoperabilität, der gemeinsamen Beschaffung, des Erwerbs und der Wartung sowie der Zusammenlegung und gemeinsamen Nutzung von Ressourcen“, attestiert Draghi. So könne zum Beispiel eine erhöhte Nachfrage nach Sicherheits- und Verteidigungsgütern allein, ohne Koordination auf EU-Ebene, die industrielle Basis in Europa nicht stärken, sondern die heutigen Probleme noch verschärfen. Bei der Festlegung entsprechender Standards sollten dabei verschiedene Interessensgruppen in den Regulierungsprozess einbezogen werden. 

CEN und CENELEC: Drei Prioritäten für die nächste Legislaturperiode

In einer Erklärung für die nächste Legislaturperiode identifizieren CEN und CENELEC drei Hauptpfeiler, in denen sie die Politik zum Handeln aufrufen:

1. Ein erneuertes Bekenntnis zu einem starken Europäischen Normungssystem und NLF als bewährtes Mittel zur Vollendung des Binnenmarktes und der Europäischen Wettbewerbsfähigkeit mit marktgerechten Normen und einer starken Industriebeteiligung.

 2. Das Potenzial von Normung und Normen für Innovationstransfer auszuschöpfen, zur Unterstützung des Net Zero Ziels, der Energiewende und der digitalen Transformation. Die Normungsorganisationen arbeiten unterdessen an ihrem Beitrag, den SMART Standards.

3. Die europäische Führerschaft stärken, indem Normen in Handelsverträgen integriert werden, der Expertenpool durch bessere Sensibilisierung und Ausbildung zukunftsfähig gemacht wird und Normen ihren Beitrag zur Nutzung von Forschungsergebnissen leisten.

Normung als Wegbereiter für die Zukunft

Denn gemeinsam lassen sich die Herausforderungen meistern und die europäischen Ideen und Werte in die Zukunft tragen. Die europäischen Normungsorganisationen stehen dafür bereit!

ZUR PERSON

Sibylle Gabler ist Mitglied der Geschäftsleitung von DIN für den Bereich External Relations.

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