Wettbewerbsfähigkeit braucht langfristige Investitionen
So erfolgreich Deutschland in der Vergangenheit mit seinen Stärken Qualität, Vielfalt und Innovationen war, so mussten wir doch in der jüngeren Vergangenheit einige Rückschläge hinnehmen. Länder wie die USA und China sind uns beispielsweise bei Themen wie KI voraus. Das zeigt sich sowohl an den Chatbots ChatGPT und DeepSeek als auch an der Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen zu Generativer KI. Aus den USA stammen 39 Prozent der Forschungen, auf Platz zwei folgt China. Gleichzeitig verschlechtert sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft: Der im Februar 2025 veröffentlichte ifo-Geschäftsklimaindex zeigt: Die Stimmung bei den Unternehmen bleibt unverändert skeptisch. Die deutschen Unternehmen warten ab. So das Ergebnis der Umfrage unter 9.000 Führungskräften. Auch wenn die Betriebe den kommenden Monaten etwas optimistischer entgegensehen als noch Ende 2024: Abwarten hilft bei der Investitionsplanung nicht. Die schlechte Wirtschaftsstimmung von heute wird damit zum Stolperstein für die Wettbewerbsfähigkeit von morgen. Noch hält Deutschland sich im Innovationsindex der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in der Top 10 der Welt. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, Standards gezielt zu nutzen, um neue Technologien marktfähig zu machen und Innovationszyklen zu beschleunigen.
Klimawandel – Herausforderung und Chance
Es gibt globale Einflussfaktoren, die weltweit zu stärkerem Wettbewerbsdruck und notwendigen gemeinsamen Anstrengungen führen. So stellt der Klimawandel uns alle – als Gesellschaft, als Einzelpersonen genauso wie als Unternehmen vor große Herausforderungen. Weltweit sind inzwischen die Veränderungen des Klimas sichtbar: So war 2024 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1850. Gleichzeitig hat sich die Eisfläche der Arktis gegenüber der vorindustriellen Zeit halbiert. Europa ist indes stark betroffen: Denn der Kontinent erwärmt sich seit den 1980er Jahren doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt. Entsprechend ambitioniert sind die Ziele: Bis 2050 soll die EU zum ersten klimaneutralen Wirtschaftsraum der Welt werden. Die Bundesregierung ist noch ambitionierter: 2045 möchte Deutschland klimaneutral sein.

Rückenwind für Innovationen
Dieser politische Veränderungsdruck und der Wettbewerb können helfen, technische Neuerungen voranzubringen. Der Kampf gegen den Klimawandel kann zum Innovationsbeschleuniger werden, beispielsweise im Energiesektor. Wer innovativ ist, leistet einen Beitrag für eine lebenswerte Zukunft und kann zugleich wirtschaftlich erfolgreich sein. Gleichzeitig ist es wichtig, nicht nur den Klimaschutz voranzubringen, sondern sich auch an die Folgen eines veränderten Klimas anzupassen und widerstandsfähiger zu werden.

Bildung als Schlüssel
Sowohl der souveräne Umgang mit Technologie als auch die Fähigkeit, sich an wandelnde Anforderungen anzupassen und Handlungsoptionen auszuloten, fordert gute Bildung. Die ist in einer technologiegetriebenen Welt – vor allem in zentralen Fächern wie Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften – eine zentrale Säule für den dauerhaften Erfolg von Volkswirtschaften. In Deutschland galten die Leistungen der Schülerinnen und Schüler lange als gut. Dann kam 2001 der PISA-Schock mit schwachen Ergebnissen in den Kernkompetenzen Lesen und Rechnen. Es folgten viele Reformmaßnahmen wie der Ausbau des Ganztagesangebots, die Einführung zentraler Abschlussprüfungen und mehr Förderangebote. Doch die PISA-Ergebnisse von 2022 waren noch schlechter als Anfang der 2000er Jahre. Heute fordern Expertinnen und Experten unter anderem, das Thema Bildung ganzheitlich, mit hoher Priorität und ausreichend budgetiert anzugehen – beispielsweise mit einer Bildungsagenda 2035. Der Präsident der IHK Rhein-Neckar Manfred Schnabel warnte Ende 2023: „Als Hochlohnland ohne nennenswerte Rohstoffe leben wir von der Ressource Wissen.“ Die Rechnung ist einfach: Wer eine gute Fachausbildung hat, der kann Dinge anders machen und neue Lösungen für Herausforderungen in den Bereichen Digitales und Klima finden. Auch der Vorstandsvorsitzende der GEA Group Stefan Klebert 2024 mahnte öffentlich: „Bildung ist die Basis für alles in unserer Gesellschaft. Nicht nur für Wissen, sondern auch für ein friedliches Zusammenleben, gesellschaftliche Stabilität und Demokratie sowie für unsere Wettbewerbsfähigkeit.“
„Als Hochlohnland ohne nennenswerte Rohstoffe leben wir von der Ressource Wissen.“
MANFRED SCHNABEL, PRÄSIDENT DER IHK RHEIN-NECKAR

Mit Technologie an die Spitze
Außer anhand von guter Bildung als Grundstein für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung lässt sich Wettbewerbsfähigkeit auch anhand von Investitionen, Resilienz und Anpassungsfähigkeit betrachten. Gerade bei den Investitionen zahlt es sich aus, einen langen Atem zu beweisen. Japan beispielsweise gibt bereits seit zwei Jahrzehnten mehr als drei Prozent seines jährlichen Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus – etwa 200 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022. Heute profitiert das Land davon: Japanische Unternehmen sind in der Robotik führend, einem Schlüsselbereich der Automatisierung. Auch die USA investieren massiv in Forschung und Entwicklung: Auf etwa 923 Milliarden US-Dollar beliefen sich 2022 die Investitionen (3,6 Prozent des BIP). Deutschland hat die Dringlichkeit ebenfalls erkannt und im gleichen Jahr 121,4 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Das sind 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Japan verfolgt mit seinen Investitionen zudem ein langfristiges Ziele: Bis 2050 möchte die Regierung das Land zu einer vernetzten „Super-Smart-Gesellschaft“ weiterentwickeln, die die physische Welt und die Cyberwelt vereint – eine Society 5.0.
Lieferketten als Risiko für Wettbewerbsfähigkeit
Investitionen allein genügen jedoch nicht. Wettbewerbsfähige Unternehmen und Volkswirtschaften zeichnen sich ebenso durch Anpassungsfähigkeit und Resilienz aus. Während der Corona-Pandemie haben sich die globalen Lieferketten als Schwachstelle vieler Volkswirtschaften entpuppt. Davon war auch Deutschland betroffen. Die Spannweite der nicht lieferbaren Güter reichte von Toilettenpapier über Atemschutzmasken, Hefe und Nudeln bis zu Ersatzteilen und Halbleitern. Umfragen zufolge sehen viele Unternehmen im Nearshoring einen Lösungsansatz – also in der Verlagerung von Kapazitäten ins nahe Ausland. Die Vorteile können den Nachteil der höheren Produktionskosten aufwiegen: Wer beispielsweise in Polen statt in China produziert, hat kürzere Transportwege sowie ein geringeres politisches Risiko.
Resilienz als neue Währung im Wettbewerb
Widerstandsfähige Firmen zeichnen sich aber durch mehr aus als nur durch zuverlässige Lieferketten. Auch eine moderne und sichere IT-Infrastruktur, transparente und verfügbare Daten, vertrauenswürdige Partner*innen, ein diversifiziertes Produktportfolio, flexible Geschäftsmodelle, ressourcenschonende Prozesse, agile Organisationsstrukturen und eine klare Kommunikation sind wichtig. Diese Fähigkeiten helfen, sich zeitnah an neue Gegebenheiten anzupassen. Auch eine starke Innovationskultur unterstützt dies. So kommt eine Studie der Bertelsmann Stiftung von Anfang 2025 zu dem Ergebnis: „Eine starke Innovationskultur ist entscheidend für die Krisenfestigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.“ In Zeiten militärischer Auseinandersetzungen, gestörter Lieferketten, globaler Krisen wie Pandemien oder digitaler Game-Changer ist es notwendig, flexibel reagieren zu können. Unternehmen, die schnell ihre Lieferketten umstrukturieren, neue Märkte erschließen oder digitale Prozesse implementieren, gewinnen den Wettstreit um die Zukunft.
Anpassungsfähigkeit, Wissen und Innovationskraft entscheiden über die Wettbewerbsfähigkeit von morgen. Doch damit Wettbewerb auch in Zukunft fair bleibt, braucht es klare Spielregeln – national wie international. Mehr dazu lesen Sie im nächsten Teil unserer Titelgeschichte.