Ohne Spielregeln wird Wettbewerb zum Machtkampf

Fairer Wettbewerb braucht Regeln
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Frau in Anzug springt dynamisch vor farbenfrohem Hintergrund mit grafischen Elementen

Wettbewerb belebt

Wie dieser Wettstreit um die Zukunft dauerhaft funktioniert und seine produktiven Kräfte entfalten kann, bleibt eine offene Frage. Eine Antwort darauf lautet: Wir können Wettbewerb gestalten – mit klaren und gemeinsamen Regeln. Ohne die besteht beispielsweise die Gefahr, dass einzelne Anbieter den Markt für bestimmte Dienstleistungen oder Produkte so stark dominieren, dass der Wettbewerb weitgehend ausgeschlossen ist. Der Monopolist entscheidet dann über Preise oder Services nach Gutdünken.

Fairer Wettbewerb

Die Europäische Union und Deutschland setzen sich für einen fairen Wettbewerb ein, unter anderem mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Artikel 101) und dem deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Wer den Vorgaben zuwiderhandelt, dem drohen seitens der Europäischen Kommission und des Bundeskartellamts hohe Geldstrafen. Das haben 2016 auch die am europäischen LKW-Kartell beteiligten Unternehmen zu spüren bekommen. Wegen illegaler Preisabsprachen mussten sie rund drei Milliarden Euro an Bußgeldern bezahlen. Beileibe kein Einzelfall: Bereits 2014 hatte das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von 280 Millionen Euro gegen drei deutsche Zuckerhersteller verhängt.

„Für mich ist das schönste Wort im Wörterbuch: Zölle.“

Europa im Streit mit den Tech-Giganten

Für die europäischen Werte geht die EU in Auseinandersetzung mit großen US-amerikanischen Technologiekonzernen wie Meta, Alphabet und Apple. Mit dem Gesetz für digitale Märkte (Digital Markets Act) möchte sie die monopolistischen Praktiken einschränken und mehr fairen Wettbewerb ermöglichen. Damit sind auch die Branchenriesen verpflichtet, ihre Plattformen für kleinere Anbieter zu öffnen – ein Versuch, die Machtverhältnisse im digitalen Markt allgemeinen Regeln zu unterwerfen.

Mit dem „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ hat die EU-Kommission Anfang 2025 eine wirtschaftspolitische Wende vorgeschlagen. Mit diesem Leitfaden möchte sie die Position Europas im globalen Wettbewerb stärken und die EU zu einem innovativeren und nachhaltigeren Ort machen. Dafür greift der Kompass die im September 2024 vom Draghi-Bericht formulierten zentralen Handlungspunkte auf.

  • Innovationen: mehr Investitionen, um Innovationslücken zu schließen
  • Dekarbonisierung: wettbewerbsfähig durch saubere, bezahlbare Energie
  • Sicherheit: mehr Unabhängigkeit und Resilienz durch Diversifizierung

Parallel sollen bürokratische Hürden abgebaut werden, beispielsweise durch die Reduzierung von Berichtspflichten für Unternehmen. Die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen sagte mit Blick auf den „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“: „Europa hat alles, was es braucht, um bei diesem Rennen zu gewinnen. Gleichzeitig müssen wir jedoch unsere Schwächen überwinden und wieder wettbewerbsfähig werden. […] Unser Plan steht also. Wir haben den politischen Willen. Jetzt kommt es auf Geschwindigkeit und Einigkeit an. Die Welt wartet nicht auf uns.“

Eine Frage des Systems

Ein fairer Wettbewerb gehört für Deutschland und Europa zum festen Wertekanon. Für uns ist es wichtig, die eigenen Prinzipien gegenüber anderen Systemen zu vertreten. Denn die folgen mitunter ganz eigenen Werten. Europa, die USA und China sind zwar durch vielfältige Handelsbeziehungen und Lieferketten eng miteinander verflochten, stehen jedoch gleichzeitig im globalen Wettstreit miteinander. Als Staaten agieren sie nach innen – beispielsweise mit Förderungen und Gesetzen – und nach außen über Zollmaß- nahmen und Handelsabkommen.

Freie Märkte

Die wirtschaftspolitischen Systeme dieser Akteure unterscheiden sich teilweise erheblich. Die USA setzen bei sich weitgehend auf freie Märkte und wenige staatliche Eingriffe. Auf der anderen Seite übernehmen in den USA private Initiativen viele Aufgaben in Bereichen wie Bildung, Gesundheitswesen oder bei sozialen Maßnahmen. Das US-System setzt stark auf Eigeninitiative, Innovationskraft und Wettbewerb. Dadurch kommt dem Privatsektor in Form von Risikokapital und der Start-up-Kultur eine große Bedeutung zu. Trotzdem ist der Politik die Wichtigkeit von Normen klar. So betonte der neue US-Verkehrsminister Sean Duffy bei einer Anhörung im US-Senat im Januar 2025 mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit bei der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen: „Ohne klare Regeln oder einheitliche Standards riskieren wir, gegenüber China ins Hintertreffen zu geraten.“ 

Zwei Hände halten symbolisch Wissen: eine trägt einen Stapel Bücher, die andere ein beschriebenes Blatt Papier; im Hintergrund ein roter Kreis mit abstrakten Kritzeleien.

Der Staat hat das Sagen

In China wiederum hat der Staat einen sehr großen Einfluss auf die Wirtschaft. Er gibt die Richtung in Schlüsselbereichen wie den Sektoren Energie, Finanzen und Telekommunikation vor und bezieht diese mit seinen Fünfjahresplänen in seine strategischen Überlegungen ein. Als Innovationstreiber fördert der Staat massiv die Entwicklung digitaler Technologien. Zudem hat die Regierung in China die Normung auf der eigenen Agenda und steuert diese, weil sie sich aus der Standardisierung einen Wettbewerbsvorteil verspricht.

In der Balance

Europa und Deutschland verfolgen den Ansatz einer Balance zwischen freier Marktwirtschaft und staatlicher Regulierung. So nimmt der Staat in Deutschland beim Gesundheitswesen, bei der Bildung, bei Sozialleistungen und mit einer Vielzahl von Vorgaben für die Wirtschaft eine viel stärkere Position ein als in den USA. Er möchte damit soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit gewährleisten. Innovationen werden sowohl aus dem privatwirtschaftlichen als auch aus dem staatlichen Bereich vorangetrieben – beispielsweise mit öffentlichen Forschungsgeldern und Programmen von Unternehmen.

Geschäftsmann im Anzug balanciert auf einer stilisierten Linie, die auf einem roten Kreis ruht; abstrakte grafische Elemente und lilafarbene Flächen im Hintergrund

Europa, USA und China: der Kampf um Vorherrschaft

Europa, die USA und China sind im globalen Handel miteinander und stehen in ständigem Wettbewerb. Zölle, Subventionen und Auseinandersetzungen gehören zum politisch-wirtschaftlichen Instrumentarium. Während die USA und China auf protektionistische Maßnahmen setzen, versucht Europa, durch freie Märkte zu punkten, Anreize zu setzen und grüne Technologien zu fördern. Der Wettlauf ins All ist ein Beispiel für den Systemwettbewerb. Während die USA derzeit – auch durch private Akteure wie SpaceX und Blue Origin – dominieren, investiert China massiv in staatlich geförderte Raumfahrtprogramme. Die EU setzt mit der ESA auf Kooperation, etwa bei der Entwicklung des Galileo-Satellitensystems.

Regeln für die KI

Ein weiteres Feld im Systemwettbewerb ist die Entwicklung von KI. Die EU hat als erster Staatenverbund eine Verordnung – den AI Act – vorgelegt, die Anforderungen an Transparenz, Sicherheit und ethische Nutzung setzt. Seit Anfang Februar 2025 gelten Teile der Verordnung. Diese verbieten beispielsweise KI-Programme, die eine Bewertung nach Sozialverhalten vornehmen (Social Scoring). Nicht erlaubt sind zudem manipulative Systeme und eine Gesichtserkennung im öffentlichen Raum. Der Ansatz einer vertrauenswürdigen KI könnte langfristig zu einem Wettbewerbsvorteil führen, wenn europäische KI-Lösungen als besonders sicher und zuverlässig gelten.

Die USA hingegen bauen auf Innovationsfreiheit, Marktdynamik und massive Investitionen: Bis zu 500 Milliarden US-Dollar möchten amerikanische Unternehmen in den nächsten Jahren in den Ausbau von künstlicher Intelligenz investieren. Der Name des Projekts: Stargate. Zuvor hob Präsident Trump ein Dekret zur Regulierung von KI auf. Gleichzeitig entfaltet China in zentralen Bereichen eine große Innovationskraft. So verblüffte im Januar 2025 das chinesische KI-Modell DeepSeek mit seiner Leistung selbst die US-Tech-Giganten. Besonders erstaunlich war dabei, dass es mit einem Bruchteil der Ressourcen der US-Wettbewerber auskommen soll. Langfristig bleibt abzuwarten, wer hier das Rennen macht. 

Regeln sichern fairen Wettbewerb – doch sie allein genügen nicht. Wer im globalen Markt bestehen will, braucht mehr: Strategische Werkzeuge, die Innovation ermöglichen, Komplexität reduzieren und Zusammenarbeit fördern. Normen und Standards spielen dabei eine Schlüsselrolle. Mehr dazu lesen Sie im letzten Abschnitt unserer Titelgeschichte. 

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