Nachhaltigkeitsmanagement bei Hilti

„Zuerst seinen eigenen Garten aufräumen“
Ausgabe
7 min
Eine Person hält Unkraut in den Händen.

Keine Lippenbekenntnisse, sondern messbaren Kenngrößen und damit Faktoren für Unternehmenserfolg: Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz gehören in allen Branchen zu den Top-Themen. Wie geht Bautechnologiekonzern Hilti diese Themen an und welche Rolle spielt Normung dabei? Peter Rupp, Head of Corporate Sustainability bei der Hilti Aktiengesellschaft, und Christoph Winterhalter, Vorstandsvorsitzender von DIN und Vizepräsident Policy der internationalen Normungsorganisation ISO, über die Grundlagen und Erfolgsfaktoren für ein funktionierendes Nachhaltigkeitsmanagement in einem führenden Unternehmen der internationalen Bauindustrie.

Herr Rupp, welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Klimaschutz für Hilti?

Peter Rupp: Nachhaltigkeit war schon immer Teil unserer Unternehmens-DNA, den wir auch in unserem Unternehmensleitbild “making construction better” verankert haben. Dabei baut Hiltis Nachhaltigkeitsstrategie auf den drei Säulen Umwelt, Menschen und Gesellschaft auf. In den vergangenen Jahren haben wir uns vor allem auf Initiativen in unserem eigenen Geschäftsbetrieb konzentriert. Das haben wir ganz bewusst getan, denn als glaubwürdiger Partner für Nachhaltigkeit muss man zuerst „seinen eigenen Garten aufräumen“. Nun haben wir mit der neuen Konzernstrategie Lead 2030 unsere Ambitionen weiter verstärkt, um für unsere Kunden der beste Partner für Nachhaltigkeit zu werden. Schließlich wird Nachhaltigkeit wegen des großen CO₂-Fußabdrucks der Branche ein immer wichtigeres Thema.

Herr Winterhalter, welche Funktion kommt der Normung bei Nachhaltigkeitsinitiativen, wie Hilti sie umsetzt, zu? Und wie haben sich diese Themen in den vergangenen Jahren in der internationalen Normung entwickelt?

Christoph Winterhalter: Zunächst einmal ist der Weg, den Hilti eingeschlagen hat, absolut bemerkenswert. Das Unternehmen hat erkannt, welchen Stellenwert Nachhaltigkeit in Industrie und Gesellschaft hat und hat sich ein strammes Programm auferlegt. Die internationale Normung ist dabei der Schlüssel, dieses Programm sicht- und messbar zu machen. Die internationale Normungsgemeinschaft hat die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz ganz oben auf die Agenda gesetzt. In ihrer London Declaration vom September 2021 haben die 167 Mitglieder der International Organization for Standardization (ISO) festgeschrieben, welchen Beitrag Normung für nachhaltigen Klimaschutz sowie zur Klimaanpassung leisten kann und muss. Die Essenz ist, dass mit einer gemeinsamen internationalen Strategie Normen und Standards ein entscheidender Hebel im Kampf für mehr Nachhaltigkeit und gegen den Klimawandel sein können. Das hilft weltweit agierenden Unternehmen wie Hilti dabei, Ziele auf Grundlage international anerkannter Normen zu formulieren sowie transparent und messbar umzusetzen. Um im Bild zu bleiben: Internationale Normung schafft die Basis dafür, dass alle Beteiligten das gleiche Verständnis haben und wissen, was es heißt, im eigenen Garten Ordnung zu halten – und dies transparent, vergleichbar und überprüfbar.  Wie das konkret aussehen kann, haben wir auf der Klimakonferenz COP28 in Dubai gesehen, wo es auch um international anerkannte Kriterien zur Berechnung des Treibhausgas-Fußabdrucks von Wasserstoff als Grundlage für einen funktionierende Wasserstoffwirtschaft ging. 

Peter Rupp (links) ist Head of Corporate Sustainability bei der Hilti Aktiengesellschaft.

Christoph Winterhalter ist Vorstandsvorsitzender von DIN und Vizepräsident Policy der internationalen Normungsorganisation ISO.

Ein Mann in Anzug und Brille sitzt auf einer Couch.
© Studio Fasching

Peter Rupp (oben) ist Head of Corporate Sustainability bei der Hilti Aktiengesellschaft.

Christoph Winterhalter ist Vorstandsvorsitzender von DIN und Vizepräsident Policy der internationalen Normungsorganisation ISO.

Ein Mann in Brille und Anzug steht vor einer grauen Betonwand.
© Goetz Schleser

Warum war es für Sie, Herr Rupp, und Hilti wichtig, bereits Ende 2023 „carbon neutral“ zu sein? Was waren die ein, zwei größten Herausforderungen auf diesem Weg?

Peter Rupp: Von allen Nachhaltigkeitsthemen steht der Klimawandel und somit der CO₂-Fußabdruck für Hilti an erster Stelle. Uns war es wichtig, uns früh ein erstes konkretes und messbares Ziel zu setzen: das Erreichen der CO-Neutralität bis 2023 in unseren eigenen Betriebstätigkeiten. Hier sind wir auch gleich auf die erste Herausforderung gestoßen – die Messbarkeit von Nachhaltigkeit. In diesem Fall war es konkret die Herausforderung, eine fundierte Ausgangsbasis zu schaffen, auf der wir in den Folgejahren auch eine Vergleichbarkeit sicherstellen können. Die zweite Herausforderung war, ein glaubwürdiges und fundiertes Reduktionsprogramm auf die Beine zu stellen und nicht nur am Markt Offsetting-Zertifikate einzukaufen. Dies ist uns gelungen und wir haben Ende 2023 das Ziel der CO₂-Neutralität in unseren Betriebstätigkeiten erreicht: durch 60% Reduktionsmaßnahmen und 40% Kompensation durch eigens entwickelte Projekte mit der Hilti Foundation und dem externen Projektentwickler ClimatePartner.

Wie kann die Normung dabei unterstützen, solche Herausforderungen zu meistern, Herr Winterhalter?

Christoph Winterhalter: Peter Rupp spricht von der Messbarkeit von Nachhaltigkeit und dem eigenen Antrieb, gesteckte Nachhaltigkeitsziele mit wirklich nachhaltigen Maßnahmen zu erreichen. Das genau ist das Spielfeld der Normung. Normung bietet die Plattform, auf der sich sämtliche Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verbänden und Gesellschaft konstruktiv austauschen, gemeinsame Anforderungen formulieren und in Normen festschreiben. Dabei setzen Normungsorganisationen wie DIN als die deutsche Interessensvertretung innerhalb der ISO auf die Grundprinzipien breite Beteiligung, Transparenz und Konsens. Im Bereich Nachhaltigkeit gelingt es uns so, die beiden Welten der staatlichen ‚Regulierung‘ und der individuellen Selbstverpflichtung durch technische Normung zusammenzubringen. Ziel ist, beide Ansätze miteinander anschlussfähig zu machen. Das heißt: Regulatorische Vorgaben seitens der Politik in Form von Top-down-Zielen und Selbstverpflichtungen auf Unternehmensebene müssen aufeinander abgestimmt werden, damit diese pro Standort, Produktlinie oder entlang der Lieferkette gemessen und transparent nachverfolgt werden können. Dafür braucht es einheitliche – am besten international harmonisierte – Bewertungskriterien, ohne die eine praktische Implementierung und Wirksamkeitsprüfung der Transformation hin zu einem nachhaltigen Unternehmen nur schwer möglich ist. Genau an dieser Stelle kann die internationale Normung mit ihrem weltweit anerkannten Normenwerk helfen.

Herr Rupp, Sie engagieren sich bereits seit einigen Jahren in der Normung. Warum?

Peter Rupp: Hilti arbeitet seit jeher mit Normungsgremien zusammen – mit dem Ziel, vergleichbare Standards und Messgrößen in der Baubranche zu schaffen. Gerade im Bereich Klima und Nachhaltigkeit besteht aufgrund fehlenden konkreten Standards ein großer Handlungsbedarf. Obwohl beispielsweise der CO₂-Fußabdruck (Scope 1 bis 3) in aller Munde ist, ist die detaillierte Berechnung weltweit nicht einheitlich standardisiert und somit eine objektive Vergleichbarkeit noch nicht gewährleistet. Das wollen wir ändern! Denn unsere Kunden verlangen glaubwürdige und verlässliche Nachhaltigkeitsdaten unserer Produkte. Diese Daten fließen letztlich in den CO₂-Fußabdruck eines gesamten Gebäudes, welcher immer wichtiger wird.

Was braucht es seitens der Wirtschaft und der Politik, damit Normung als entscheidender Hebel im Klimaschutz aktiv werden kann?

Christoph Winterhalter: Unternehmen brauchen verständliche und möglichst einfach anwendbare Regelwerke. Was für die Industrie absolut kontraproduktiv wäre, wäre ein weiterer Berg an bürokratischen Maßnahmen. Was es also braucht, ist ein klares, nachvollziehbares Regelwerk zur Umsetzung von Klimamaßnahmen. Das entsteht nur über die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Um konkret zu bleiben: Der aktive Austausch aller wichtigen Stakeholder*innen bringt konkrete Projekte voran. Unser Angebot an Unternehmen, die Wissenschaft und die Politik lautet deshalb: Nutzen Sie die von DIN bereitgestellte Infrastruktur und etablierte Prozesse zum Austausch. Nutzen Sie unser internationales Normungsnetzwerk für Ihren Dialog und das Gestalten eines gemeinsamen Verständnisses für einheitliche Nachhaltigkeitskriterien und Ziele, um diese dann in internationalen Normen als anerkannte Methoden festzuschreiben. Um ein Beispiel aus der Finanzwirtschaft zu nennen: Damit Finanzströme in wirklich grüne Anlagen gelenkt werden können, braucht es verlässliche Kennzahlen für Investoren. Ein effektiver Klimaschutz wird nur möglich, wenn die entsprechenden Player zusammenarbeiten und sich eng abstimmen. Oder schauen wir uns das Thema digitaler Produktpass an: Den Datensätzen mit umweltrelevanten Informationen zu einem Produkt kommt eine Schlüsselrolle bei der Transformation hin zu einer digitalen und umweltgerechteren Welt zu. Das gemeinsame Erarbeiten von Normen und Standards sichert dabei die Interoperabilität und Anschlussfähigkeit und damit auch die Akzeptanz bei allen Beteiligten.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten als Nachhaltigkeitschef von Hilti drei Wünsche frei. Was wünschen Sie sich von der internationalen Normung?

Peter Rupp: Zuerst einmal eine detaillierte und international anerkannte Anleitung zur Berechnung des CO₂-Fußabdrucks in den Scopes 1 bis 3 – in Zusammenarbeit mit allen relevanten Stakeholdern. Dann brauchen wir eine effektive digitale Integration dieser Daten in die Planungsmodelle der Baubranche, zum Beispiel ins Building Information Management (BIM). Und als Drittes bedarf es einer Methodik und Standardisierung über den Carbon Footprint hinaus – zum Beispiel zur einheitlichen Messung und Standardisierung weiterer Nachhaltigkeitsthemen wie Kreislaufwirtschaft, Gefahrstoffe oder soziales Engagement. 

Wie ist denn die Reaktion auf Ihre Nachhaltigkeitsinitiativen im Markt? Was spiegeln Ihnen Ihre Kunden zurück?

Peter Rupp: Aktuell beobachten wir einen Wandel in der Baubranche. Mehr und mehr Kunden wollen in dieser Phase ihren eigenen CO₂-Fußabdruck transparent machen und verlangen deshalb verlässliche Daten ihrer Lieferanten. In diesem Zusammenhang gehen wir vermehrt Partnerschaften mit unseren Kunden ein, um innovative Lösungen zur Reduzierung des CO₂-Fussabdruckes zu finden. So haben wir bereits einige konkrete Projekte gewinnen können, zum Beispiel für Befestigungssysteme, die durch Value Engineering-Leistungen bis zu 30% der CO₂-Emissionen einsparen konnten.

Nachhaltigkeit im Bau: Ökobilanzierung von Gebäuden
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