Raiffeisenprinzip für den KEP-Markt
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Standards für Shipping Service Provider wie Kurierdienste, Versanddienstleister, Transportunternehmen, Post und Paketdienste sollen die Kommunikation und den Datenaustausch zwischen Unternehmen vereinfachen und die Versandstruktur stabilisieren. Für ein sicheres und verlässliches Liefernetz.
© Götz Schleser

Text: Norbert Hiller 

Sie sind Sie sind die Helden der letzten Meile. Kurier-, Express-, Post- und Paketdienste, kurz KEP, sorgen dafür, dass Sendungen beim Empfänger ankommen. Der Bundesverband BdKEP bündelt die heterogenen Interessen dieser Akteure und hat einen Masterplan, wie seine mittelständisch geprägten Mitgliedsunternehmen zu einer starken Stimme kommen.

„Normung und Standardisierung sind das Rückgrat für reibungslose Kommunikation.“

Das Ziel der Mission ist klar: Kräfte bündeln, um im Markt zu bestehen. Dazu müssen die unzähligen Local Heroes raus aus ihrem proprietären Kosmos und sich für Kooperationen und Allianzen bereit machen. Das hat sich Andreas Schumann zum Ziel gesetzt, der seit 2014 Vorsitzender des BdKEP ist. So vielfältig wie die Interessen im Verband sind auch die Anknüpfungspunkte zu anderen Themen wie der Lebensmittelbranche und der Logistik oder zu Zukunftsthemen wie Smart Citys. Andreas Schumann hat auch das erkannt und engagiert sich deshalb für seine Mitgliedsunternehmen intensiv in verschiedensten Arbeitsausschüssen bei DIN. Andreas Schumann: „Normung und Standardisierung sind das strukturelle Rückgrat für reibungslose Kombination und Datenaustausch. Die Neutralität von DIN schafft da den passenden Rahmen. Das vorzügliche Projektmanagement von DIN erlaubt uns im Gremium die Konzentration auf die Sachthemen.“ Sein Engagement reicht vom Smart City Standardization Council über einen Arbeitsausschuss für postalische Dienstleistungen bis hin zu digitalen Themen wie Empfängerverfügung. Aktivitäten im Normenausschuss für Lebensmittel und in der Koordinierungsstelle Logistik sowie Mitwirkung an zwei DIN SPECs zu einem kommunalen Thema und zu Temperaturen bei Lebensmitteltransporten ergänzen sein Engagement. Andreas Schumann ist auch auf internationaler Ebene aktiv: „Ich will mitgestalten  und nicht passiv darauf warten, bis eine Verordnung aus Brüssel bei uns eintröpfelt.“

Nah am Kunden

Sie sind wirklich nah am Kunden: Kurier-, Express-, Post-, und Paketdienste (KEP) sorgen dafür, dass der Kunde seine Sendung pünktlich in Empfang nimmt. Sie betreiben Paketstationen und entlasten mit Mikro-Hubs den Verkehr im urbanen Raum. KEP können als Shipping Service Provider (SSP) Versandsoftware für Warensendungen über verschiedene KEP-Dienste und -Speditionen anbieten und als Fracht- und Laderaumbörsen Angebot und Nachfrage zusammenbringen. Speditions- und KEP-Unternehmen unterstützen in Vertrieb und Auftragsannahme, organisieren Einkaufsgemeinschaften und ermöglichen den Aufbau virtueller Logistikketten. Nicht zuletzt bündeln sie die Leistungen mehrerer Marktteilnehmer und treten dann selbst als Frachtführer auf.

Vielfalt orchestrieren

Jenseits der Branchengrößen bezeichnet Andreas Schumann die Mitgliedsunternehmen als Local Heroes, in Stadt und Region verankerte Dienstleister an der Nahtstelle zum Empfänger einer Sendung.

Schon der Begriff Kurier öffnet ein weites Feld und so breit sind auch die Mitgliedsunternehmen des BdKEP aufgestellt. Da gibt es den klassischen Paketzusteller, meist Nachunternehmer einer der Branchengrößen, dann die Spezialisten für Kühltransporte, Pharmaprodukte oder Lebensmittel. Viele kämpfen für sich. Die gut 90 regionalen Postunternehmen wiederum sind gut vernetzt. Die Radlogistik hat sich im urbanen Raum etabliert – mit Lastenfahrrad oder dem bei Radlern beliebten bremsenlosen und mit feststehender Nabe versehenen Fixie. Flink und umweltfreundlich führt der Weg zum Empfänger. Aber auch in diesem Segment gibt es kaum Vernetzung. Die komplexe Interessenlage zu orchestrieren, braucht Geduld und Kommunikation. „Wiederholung ist die Mutter der Erkenntnis.“ So beschreibt Andreas Schumann sein Credo. Sein Branchenverband hat aufgrund dieser Vielfalt einen Masterplan, der sensibel auf Partikularinteressen abgestimmt ist. 

Die letzte Meile im Paketversand findet mit verschiedenen Transportmöglichkeiten statt. Viele Pakete werden inzwischen mit Lastenrädern, per Transporter und gelegentlich, wie auch hier im Bild, zu Fuß ausgeliefert.
© Götz Schleser

Die letzte Meile zum Empfänger: per Transporter, Lastenrad oder auch mal zu Fuß. Das ist Vielfalt im KEP-Markt.

Für die Zukunft im KEP-Markt

Der BdKEP vertritt seit 1990 die gewerbepolitischen Interessen der mittelständischen Unternehmer und Unternehmen der Kurier-, Express-, Paket- und Briefdienste und ist Ansprechpartner für Politik, Ministerien, Behörden, Presse und Brancheninteressierte. Die Branche erwirtschaftet derzeit einen Umsatz von über 27 Milliarden Euro EUR mit über 500.000 Beschäftigten. Der BdKEP setzt sich für offene Postmärkte ein.

Andreas Schumann, Vorsitzender des BdKEP setzt sich für eine bessere Zusammenarbeit und Normierung von Datenstandards zwischen den verschiedenen Versanddienstleistern ein
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„Eine Folge der Pandemie: Die Krise generiert Handlungsbedarf und steigert die Gesprächsbereitschaft.“

Die Krise rund um Corona hat Vorschub für die verbandsinterne Überzeugungsarbeit geleistet. Zwar entwickelte sich der B2C-Markt, das Firmenkundengeschäft brach jedoch ein und zeigte die Grenzen tradierter Geschäftsmodelle. Einige Systemgeber lassen die Subunternehmen mit der Bewältigung der Krise allein oder wälzen die Folgen einseitig auf die Subunternehmen ab. So kommt dort von dem erfreulichen Wachstum besonders im Paketbereich nichts an. Andreas Schumann: „Mehr Gesprächsbereitschaft bei unseren Mitgliedern habe ich in den vergangenen fünf Jahren nicht erlebt. Die Krise generiert Handlungsbedarf.“ Dabei setzt der Verband auf eine mehrstufige Vorgehensweise, um die Kooperationen und Allianzen innerhalb der Verbandsmitglieder zu fördern.Mehr als 40 mittelständische KEP-Unternehmen wollen mit offenen Standards die Voraussetzungen für den reibungslosen Daten- beziehungsweise Sendungsaustausch schaffen. Damit könnten beispielsweise Versender ihre Sendungen leichter direkt bei regionalen KEP-Dienstleistern einspeisen. Zustellungen im urbanen und ländlichen Raum lassen sich so besser bündeln. Grundlage der Arbeit ist die vom Kompetenzzentrum GS1 entwickelte SSCC-Sendungsnummer (Serial Shipping Container Code). Die SSCC basiert auf international bestehenden CEN- und ISO-Normen. Sie stellt einen unternehmensübergreifenden offenen Standard dar und entfaltet ihre Wirkung dann, wenn sie von möglichst vielen Systemen unterstützt wird. „Die SSCC-Sendungsnummer ersetzt nicht die bestehenden proprietären Sendungsnummern der Dienstleister“, erläutert Andreas Schumann. „Die SSCC-Sendungsnummer wird mit den bisherigen Sendungsnummern aber datentechnisch so ‚verheiratet‘, dass alle Sendungen und dazugehörigen Daten sowohl über die bestehende als auch über die SSCC-Sendungsnummer identifiziert und verarbeitet werden können.“ Dadurch müssen existierende Label- und Nummernsysteme nicht modifiziert werden.

Das Prinzip Raiffeisen

Ergänzt wird die Sendungsverfolgung um ein Datenaustauschformat, das die reibungslose Kommunikation garantiert. Dieses Format ist derzeit in Arbeit. Der Königsweg jedoch ist ein umfassendes Regelwerk, das das Zusammenspiel der kleinen und mittleren Dienstleister orchestriert. Wie werden Konflikte gelöst, welche Mehrheiten sind für welche Weichenstellungen erforderlich, wie schaut das konkrete Zusammenspiel der Protagonisten aus? Themen, die beispielsweise Genossenschaften längst geregelt haben.
Dezentrale Strukturen, die durch IT-Systeme zu bundesweit arbeitenden Netzwerken verknüpft werden, können die künftigen Herausforderungen besser bewältigen. Eine direkte Einspeisung von Sendungen durch Versender auf der letzten Meile macht die Zustellstrukturen stabiler. Dadurch wird vor Ort mehr Wertschöpfung realisiert, was die Unternehmen und Regionen stärkt. Der Handel, die Volkswirtschaft und die Kommunen – quasi die Gesellschaft – brauchen Zustellsysteme, die unabhängig von global agierenden Plattformen funktionieren. Andreas Schumann: „Der Kitt, der uns zusammenhält, besteht aus gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung. Grundlage dafür sind die Genossenschaftsprinzipien Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Damit werden die Unternehmen zukunftsfähig. Denn:¸Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.‘“ Dieser Satz von Friedrich Wilhelm Raiffeisen aus dem 19. Jahrhundert hat seine Gültigkeit über die Jahrhunderte hinweg bewahrt.

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