Schulterschluss mit China

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Text: Christopf Winterhalter

Vor Jahren wurde das Reich der Mitte noch als billige Werkbank der Welt belächelt. Diese Zeiten sind vorbei. Daher ist eine neue Form der Zusammenarbeit dringend notwendig.

China hat eine rasante technologische Aufholjagd hinter sich: Ideen und Innovationen des Westens wurden geklont, gekauft – und auch kopiert. Unternehmen aus Schlüsselbranchen übernommen. China macht ernst und will selbst Zeichen setzen. Bis 2035 will die Volksrepublik zur wichtigsten Innovationsmacht der Welt werden. Die „Made in China 2025“-Strategie stellt dafür die entscheidenden Weichen. Sie ist eine globale Kampfansage.

In zehn Schlüsselbranchen – von Biomedizin und Robotik bis zur Künstlichen Intelligenz und alternativen Antriebstechnologien – will das Land international führend sein. Dabei konzentrieren sich die Chinesen vor allem auf die nächste Generation von Technologien. Leapfrogging heißt die Strategie, bei der die Volksrepublik als Nachzügler gewisse technologische Stadien in einer großen Entwicklungsstufe überspringt, um sich dann an die Spitze zu stellen.

Das Programm „China Standards 2035“ ist Pekings Bestreben, die Pläne für die Eigenständigkeit zu koordinieren und zu beschleunigen. Das ist beachtlich. Chinesen sind ein großes Volk und sie haben scheinbar unbegrenzte Ressourcen. Und ganz wichtig: Sie haben eine Strategie in puncto Normen und Standards – auslegt bis 2035. Und wir in Europa denken doch meist nur bis zur nächsten Legislaturperiode. Dabei wollen wir in Deutschland und Europa auch in Zukunft die Qualitätsmaßstäbe aktiv mitgestalten. Denn Normen und Standards sichern Qualität. Dabei tut Eile Not – und ein neues Verständnis der Lage. Wir müssen die verschiedenen Szenarien analysieren und die passenden Schlüsse ziehen. Vor allem müssen wir in Deutschland und Europa rasch handeln. Denn wir wollen weiterhin die Spielregeln gestalten.

Deshalb gilt: Noch sind wir gefragt in puncto Normen und Standards. Aber die Chinesen emanzipieren sich. Deshalb müssen wir uns als verlässlicher Partner positionieren, der Nutzen generiert. Wir können zeigen, wie wir mit unseren Prozessen die Komplexität beherrschen und wie wir mit Normen und Standards Qualität sichern. Das Negativszenario – ein wilder Mix aus staatlichen und privaten Normen in China – und die daraus resultierenden Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft gilt es zu verhindern. Noch schaut die Welt auf uns. Nutzen wir unsere Deutungshoheit und den Gestaltungsspielraum.

Christoph Winterhalter

ist Vorstandsvorsitzender von DIN und seit Januar 2022 zusätzlich Vice President Policy der internationalen Normungsorganisation ISO.

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