Herr Dr. Gerster, welche Bedeutung können Quantentechnologien in Zukunft für die deutsche und europäische Wirtschaft erlangen?
Dr. Thomas Gerster: Schon heute werden Quantentechnologien der sogenannten ersten Generation in vielfältigen Anwendungsbereichen eingesetzt; zum Beispiel in Transistoren, Dioden oder Lasern. Durch den technologischen Fortschritt der letzten Jahre ist es nun möglich, Quanteneffekte nicht nur auf diese Weise „indirekt“ zu nutzen, sondern zielgerichtet zu erzeugen und zu kontrollieren. Diese sog. Quantentechnologien der 2.ten Generation ermöglichen z.B. neuartige, leistungsfähige Sensortechnologien, auf physikalischen Gesetzen basierende abhörsichere Kommunikationssysteme oder die viel diskutierten Anwendungen im Bereich Quantencomputing bzw. -simulation. Grundsätzlich ist der individuelle Reifegrad in den jeweiligen Quantentechnologien noch sehr unterschiedlich und reicht von ersten Laboraufbauten bis hin zu nahezu fertig entwickelten Produkten und Systemen. Bereits jetzt bietet allerdings beispielsweise die Quantensensorik mit ihren kurz vor der Marktreife stehenden Produkten vielfältige Anwendungsmöglichkeiten.
Welche Aufgabe übernimmt dabei die Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB)?
Dr. Thomas Gerster: Das an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) etablierte Quantentechnologie-Kompetenzzentrum (QTZ) unterstützt die Überführung der Quantentechnologien aus dem Grundlagenforschungslabor in die kommerzielle Nutzung durch vielfältige Aktivitäten z.B. im Bereich der Standardisierung, Charakterisierung sowie Entwicklung von Komponenten und Systemen. Darüber hinaus arbeiten wir mit der Industrie an gemeinsamen Anwenderplattformen und stärken den Wissenstransfer in Industrie und Gesellschaft.
Bereits jetzt bietet die Quantensensorik mit ihren kurz vor der Marktreife stehenden Produkten vielfältige Anwendungsmöglichkeiten.
Dr. Thomas Gerster
Liegt der Schwerpunkt der Unterstützung des QTZ dabei eher auf großen, etablierten Unternehmen oder auf KMUs?
Dr. Thomas Gerster: Die in Europa und Deutschland starke Position von KMUs und Start-ups bringt im Vergleich zu weltweiten Globalplayern mit geschlossenen Wertschöpfungsketten Herausforderungen mit sich. Meist verfügen diese KMUs nur über begrenzte finanzielle Ressourcen und sind daher besonders auf Unterstützung angewiesen. Deshalb legen wir bei unserer Unterstützung neben der etablierten Industrie einen Fokus auf Start-ups sowie kleine und mittelständische Unternehmen. Beispielsweise erhalten diese mit den Anwenderplattformen einen niederschwelligen Zugang zu den Quantentechnologien und können dort mit exzellenter Infrastruktur und Unterstützung durch PTB-Expertise am anwendungsorientierten Transfer von Forschungsergebnissen arbeiten.
An welchen Projekten arbeitet das QTZ aktuell?
Dr. Thomas Gerster: Aktuelle Projekte mit einem Bezug zur Standardisierung sind z.B. der Aufbau einer QT-Charakterisierungsinfrastruktur in europaweit föderierten Testbeds (Qu-Test). Auf nationaler Ebene unterstützen wir unter anderem das Schirmprojekt Quantenkommunikation (SQuaD), das neben der Koordinierung die Zusammenführung und Erweiterung von Testbeds zum Ziel hat.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit des QTZ und DIN?
Dr. Thomas Gerster: Auf einer sehr guten kollegialen und fachlichen Zusammenarbeit. Hervorzuheben ist die Rolle von DIN bei der Gründung und Sekretariatsführung sowohl der Focus Group on Quantum Technologies (FGQT) als auch beim Joint Technical Committee on Quantum Technologies (JTC 22). Unsere erfolgreiche Arbeit gemeinsam mit unseren Partnern in Europa hat die europäische Standardisierung im Bereich Quantentechnologien in eine international weit beachtete Position gebracht.
Bild: PTB
Dr.-Ing. Thomas Gerster
ist Wissenschaftler und Koordinator der Quantentechnologie-Standardadisierung, Quantentechnologie-Kompetenzzentrum der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), Obmann des DIN NA043-02-05 AA Quantentechnologien.