Klimaanpassung: Das Umweltbundesamt als wissenschaftlicher Berater

Anpassen statt abwarten
Ausgabe
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Person in Schutzanzug untersucht Pflanzen in einem blühenden Rapsfeld bei klarem Himmel

Ob Abfallvermeidung, Schadstoffe in Luft und Wasser oder Zulassung von Pflanzenschutzmitteln – wer sich hierzulande mit umweltbezogenen Themen beschäftigt, kommt am Umweltbundesamt (UBA) nicht vorbei. Auch in Sachen Klimaanpassung ist das UBA beratender Partner von Politik und Behörden.

Als zentrale, wissenschaftliche Umweltbehörde Deutschlands forscht das UBA seit 1974 zu Umweltthemen. Es gehört zum Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums (BMUV). Die Aufgaben des UBA sind umfassend: Neben der wissen-schaftlichen Arbeit berät die Behörde auf Basis der Ergebnisse die Politik, setzt Umweltgesetze um, informiert die Öffentlichkeit und ist Partner internationaler Einrichtungen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Mittlerweile engagieren sich rund 1.800 Mitarbeiter* innen für Mensch und Umwelt – am Hauptsitz der Behörde in Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt und an weiteren Standorten in ganz Deutschland.

Warum die Klimaanpassung immer dringlicher wird

In Zeiten des Klimawandels gewinnt all dies noch mehr an Bedeutung. 2024 war laut Deutschem Wetterdienst sowohl in Deutschland als auch weltweit das wärmste Jahr seit Messbeginn im Jahr 1881. Die mittlere Lufttemperatur hierzulande hat seit dieser Zeit bereits um 1,9 °C zugenommen. Was das für Deutschland und Europa bedeutet, erarbeiten im Kompetenzzentrum Klimawandel und Anpassung (KomPass) des UBA Dr. Inke Schauser und ihre Kolleginnen und Kollegen anhand von Klimarisikoanalysen. Die Ergebnisse bestätigen: Natürliche Systeme und Ressourcen wie Boden, Wasser, Artenvielfalt und Ökosysteme sind durch den Klimawandel besonders gefährdet. „Und diese sind wiederum Grundlagen vieler unserer Wirtschaftssysteme, beispielsweise der Fischerei, der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft sowie für viele Formen der menschlichen Erholung und der Gesundheit“, erklärt die Expertin. Die Wirkzusammenhänge veranschaulichen, dass sich Wirtschaft und Gesellschaft an die Folgen des unvermeidbaren Klimawandels anpassen müssen. Dies und ein effektiver Klimaschutz sind notwendig, um Beeinträchtigungen und Schäden des Klimawandels zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen.

Mehrfamilienhaus mit begrünter Fassade und bepflanzten Balkonen in urbaner Umgebung“

Herausforderungen der Klimaanpassung

Aktuelle und künftige Herausforderung im Bereich Klimaanpassung ist die Finanzierung. Wer stellt welche Mittel und welche der vielen denkbaren Maßnahmen werden zuerst umgesetzt? Es muss priorisiert werden – „Normung und Standardisierung können hierbei Orientierung geben“, ist Inke Schauser überzeugt. Außer der Finanzierung spielen für Behörden und Kommunen aber auch weitere Aspekte eine Rolle, wie die Verfügbarkeit von personellen und ökologischen Ressourcen. Beispielsweise benötigen viele Maßnahmen zur Vorsorge vor Hitze und Überschwemmungen Flächen, um Wasser zu speichern. Normen wie die DIN EN ISO 14090 und 14091 zur Anpassung an den Klimawandel berücksichtigen diese Aspekte, legen entsprechende Anforderungen fest und können Verantwortlichen so als wertvolles Hilfsmittel für die Planung und Umsetzung dienen.

„Normen sind für die Klimaanpassung extrem wichtig.“

Portrait von Dr. Inke Schauser

Dr. Inke Schauser

hat zum Thema Wasserkreislauf promoviert. Klimawandel zeigt sich vor allem über die Veränderung dieses Kreislaufes – so kam sie zum Umweltbundesamt. Dort arbeitet sie seit 2003. Seit 2008 ist sie im Bereich Klimafolgen und Anpassung an den Klimawandel tätig, an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik in Deutschland und Europa.

Weshalb ist es wichtig, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen? Und wie können Normung und Standardisierung dabei unterstützen? Darüber sprachen wir mit Dr. Inke Schauser vom Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung beim Umweltbundesamt.

Frau Dr. Schauser, Wirtschaft und Gesellschaft verfolgen das Ziel, die Treibhausgasemissionen zu senken. Dennoch lassen sich erste Folgen der weltweiten Erwärmung nicht mehr vermeiden. Welche Rolle spielt die Klimaanpassung deshalb aus Ihrer Sicht?

Dr. Inke Schauser: Europa und Deutschland haben sich das Ziel gegeben, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf null zu senken. Trotz Erfolgen des Klimaschutzes, beispielsweise dem Ausbau EE, steigen weltweit die THG-Emissionen. Dadurch steigen auch die weltweiten Luft- und Wassertemperaturen. Auch wenn wir umgehend die THG drastisch senken würden, wird bis mindestens Mitte des Jahrhunderts die Erderwärmung weiter steigen. Damit verändern sich unser Klima und unser Wetter, Wetterextreme werden intensiver und häufiger, vor allem Hitze, Trockenheit und Starkregen. Dadurch steigt auch die Bedeutung der Klimaanpassung, das heißt die Vorbereitung auf ein sich änderndes Klima. Aber wir können uns nicht unbegrenzt an Klimaänderungen anpassen, es gibt Grenzen der Anpassung. Gerade sensible Ökosysteme, und damit Lebensgrundlagen der Menschen, wie beispielsweise Korallenriffe, Gletscher und Eisschilde, Trinkwasserressourcen, sind unter Druck. Ein Ausfall dieser Ressourcen bedeutet ein Aussterben oder Abwandern von Fischarten, erhöhte Meeresspiegel und Sturmfluten, Dürren und Ernteausfälle. Daher ist und bleibt Klimaschutz wichtig, auch für unsere Möglichkeiten, sich an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels anzupassen.

Was ist konkret damit gemeint, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen?

Sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen, bedeutet für uns in Deutschland, in allen Handlungsfeldern, durch alle Akteure zu schauen: Wo bin ich durch den Klimawandel betroffen, welchen Klimarisiken bin ich ausgesetzt, was kann ich, meine Organisation tun, damit wir in 5, 10, 50 Jahren nicht von Wetterextremen überrascht werden. Ganz konkret bedeutet dies, den Wald in Deutschland hin zu einem artenreichen Mischwald umzubauen, die Böden verstärkt vor Erosion zu schützen, die Städte durch Begrünung zu kühlen, den Hochwasserschutz zu stärken.

Was sind die drei größten Herausforderungen, die Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in der Klimaanpassung jetzt angehen müssen?

Die zentrale Herausforderung ist unser Umsetzungsdefizit. Wir wissen in vielen Bereichen genug, sind aber nicht schnell und vor allem nicht effizient darin, die bekannten Maßnahmen umzusetzen – beispielsweise Hitzeaktionspläne zu installieren. Als Erstes müssen wir daher die bekannten Maßnahmen verstärkt umsetzen. Zweitens müssen wir die Rahmenbedingungen verändern und so ausrichten, dass auch Klimaanpassungsmaßnahmen attraktiver werden, die bis jetzt noch nicht so bekannt sind. Dafür hat die deutsche Regierung mit dem Klimaanpassungsgesetz und der neuen Anpassungsstrategie die Weichen gestellt. Jetzt müssen die relevanten Akteure das umsetzen, wie die Normung. Drittens ist es die Finanzierung: Viele Akteure müssen Klimaanpassung betreiben, denn wir sind fast alle in irgendeiner Form vom Klimawandel betroffen. Diese Anpassung passiert insbesondere auf der lokalen Ebene, das heißt, die Kommunen müssen aktiv werden. Doch die Städte und Gemeinden in Deutschland sind oft knapp bei Kasse. Deshalb braucht es neue Finanzierungskonzepte, beispielsweise eine neue Gemeinschaftsaufgabe, damit Bund und Länder den Kommunen Geld bereitstellen.

Illustrative Darstellung vernetzter Systeme: Natur, Forstwirtschaft, Industrie, Infrastruktur und Gesellschaft

Natürliche Systeme und Ressourcen, naturnutzende Wirtschaftssysteme, Infrastrukturen und Gebäude, naturferne Wirtschaftssysteme sowie Menschen und soziale Systeme stehen in Wirkbeziehungen zueinander, die durch den Klimawandel beeinflusst werden. Beispiel: Zunehmende Hitze durch den weltweiten Temperaturanstieg trocknet die Böden aus. Diese werden dadurch leichter vom Wind abgetragen. Das führt zu geringeren landwirtschaftlichen Erträgen.

Wie können Normen und Standards bei der Klimaanpassung unterstützen?

Normen und Standards sind für die Klimaanpassung extrem wichtig. Sie können den vielen Akteuren Orientierung geben. Etwa indem sie Empfehlungen liefern, wie sich eine Klimarisikoanalyse durchführen lässt, oder auch indem sie Mindeststandards setzen in Form von technischen Angaben: Wie hoch sollte künftig ein Deich sein, wie breit ein Entwässerungsrohr? Normen und Standards helfen zudem dabei, Klimaanpassung grundsätzlich in die Gesellschaft zu tragen – und so zu vermitteln, dass wir uns auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten müssen. Das Wissen zu den Folgen des Klimawandels und möglichen Anpassungsmaßnahmen muss als Stand der Technik angesehen und entsprechend priorisiert werden. Dies ist insbesondere wichtig für Infrastrukturen wie Wasser- oder Energiesysteme, die ja für eine langfristige Nutzung konzipiert und auf ein bestimmtes Klima eingerichtet sind. Um diese anzupassen, braucht es viele kleine Schritte. Normen und Standards helfen dabei, sie dienen als Leitplanken.

Welche Bereiche sind besonders stark vom Klimawandel betroffen und wie kann Normung da unterstützen?

Die tödlichsten Klimaauswirkungen sehen wir im Bereich Hitze, besonders ist die menschliche, aber auch die tierische Gesundheit betroffen. Normung kann hier über die Gebäudetechnik ansetzen. Aber auch über Vorgaben für die städtische Kühlung, etwa mittels Grünflächen oder durch das Schwammstadtkonzept, mittels Wasserspeichern. Die bisher teuersten Schäden wurden durch Starkregenereignisse verursacht. Hier können Normen und Standards Anforderungen an einen besseren Schutz von Gebäuden und Infrastruktur vor Überschwemmungen festlegen. Außerdem verändern sich Ökosysteme, und damit unsere Lebensgrundlagen, die natürlichen Ressourcen, beispielsweise sterben Fichten ab – damit fehlt der Bauindustrie das bislang wichtigste Bauholz und sie muss sich umstellen. Wir müssen lernen, alle diese Zusammenhänge zu betrachten. Im übergeordneten Sinne legen wir mit Normen und Standards fest, in welche Richtung wir bei der Anpassung an den Klimawandel gehen wollen. Ganz wichtig ist immer: Klimaanpassung funktioniert nicht ohne Klimaschutz, denn wir können uns nur bis zu einem bestimmten Grad anpassen.

WEBTIPP

Welche Auswirkungen des Klimawandels sind mit besonderen Risiken für Deutschland verbunden? Welche Möglichkeiten zur Anpassung gibt es? 

Und wo besteht besonders dringender Handlungsbedarf?Antworten liefert die Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 (KWRA) des Bundes.

Wie unterstützt Normung den Klimaschutz?
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