Hydrogen Europe, der europäische Branchenverband der Wasserstoffwirtschaft, setzt auf internationale Standards, um Wasserstoff zu einer tragenden Säule der europäischen Energiewende zu machen.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität wird Deutschland erneuerbare Energien importieren müssen – grüner Wasserstoff macht den Transport und die Speicherung möglich. Damit das reibungslos gelingt, braucht es internationale Normen und Standards im Bereich Wasserstoff. Vor allem bietet Normung Unternehmen die Chance, eigene Wasserstoffprodukte weltweit optimal zu vermarkten. Deshalb setzt Hydrogen Europe, der europäische Branchenverband der Wasserstoffwirtschaft, auf internationale Standards.
Wasserstofftechnologien vom Konzept in die breite Anwendung zu bringen – das ist das Ziel von Hydrogen Europe. Der Interessenverband mit Sitz in Brüssel versammelt dazu Industrie, Forschung, Politik, Regionen und Verbände an einem Tisch. An der Spitze als CEO steht Jorgo Chatzimarkakis, ein ehemaliger Europaabgeordneter. Um Wasserstoff zu einer tragenden Säule der europäischen Energiewende zu machen, ist politische Unterstützung hilfreich, jedoch nicht allein ausschlaggebend. Darum setzt Hydrogen Europe gezielt auf Normung als strategisches Instrument.
20 Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich
Sauberer Wasserstoff – also Wasserstoff, der ohne oder mit sehr geringen CO₂-Emissionen hergestellt wird – spielt eine Schlüsselrolle für das Erreichen der globalen Klimaziele. Genauer gesagt dort, wo die Elektrifizierung an ihre Grenzen stößt: In Industrien wie der Stahl-, Zement- oder Chemiebranche ersetzt der Energieträger fossile Brennstoffe. Auch im Schwerlastverkehr, in der Luftfahrt und bei der saisonalen Energiespeicherung gilt er als vielversprechende Lösung. Strom aus Wind oder Sonne hat bislang einen Nachteil: Er lässt sich nur schwer über längere Zeiträume speichern und über weite Strecken transportieren. Wasserstoff hingegen – per Elektrolyse aus erneuerbarem Strom gewonnen – ist gut lager- und über Tausende Kilometer verschiffbar. „Klimaneutral produzierter Wasserstoff ist zwar kein Alleskönner, aber in vielen Bereichen alternativlos, um die Dekarbonisierung von Industrie, Mobilität und Wärmesektor zu erreichen. Darin sind sich Energieszenarien der Internationalen Energieagentur IEA, der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien IRENA und Bloomberg einig“, sagt der Energieexperte Dr. Maximilian Kuhn. Er ist Obmann des DIN-Normenausschusses Wasserstofftechnologien und als Experte auf CEN-CENELEC- und ISO-Ebene aktiv.
Jorgo Chatzimarkakis
CEO, Hydrogen Europe
Dr. Maximilian Kuhn
Advisor, Hydrogen Europe
Weshalb internationale Normung im Bereich Wasserstoff entscheidend ist
Europa hat ambitionierte Ziele, was den H₂-Einsatz betrifft. Im Jahr 2022 stellte die EU ihre Strategie REPowerEU vor. Darin ist vorgesehen, bis 2030 jährlich 20 Millionen Tonnen Wasserstoff einzusetzen. Die Hälfte davon soll mit heimischen Elektrolyseuren entstehen, der Rest in Nicht-EU-Ländern: „Saudi-Arabien, Indien, Namibia oder Chile stehen bereit, grüne Moleküle zu liefern“, weiß Maximilian Kuhn. „Damit Investoren Terminals, Pipelines und Ammoniak-Cracker bauen, brauchen sie jedoch klare Regeln, hierfür sind internationale Normen im Bereich Wasserstoff unverzichtbar. Sie legen die technischen Anforderungen für alle Akteure entlang der H₂-Wertschöpfungskette fest und schaffen einheitliche Prozesse.“ Für einen schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft sei dies entscheidend. Vor allem biete Normung deutschen und europäischen Unternehmen in diesem Bereich große Chancen: „Normen helfen ganz klar beim Export. In Deutschland haben wir viele Mittelständler mit Produkten, die sich rund um die Herstellung und den Vertrieb von klimaneutralem Wasserstoff einsetzen lassen, etwa Pumpen und Kompressoren“, sagt Jorgo Chatzimarkakis. „Deshalb ist es wichtig, die international gültigen Anforderungen an solche Produkte über Normen und Standards mitzugestalten, das ist dann ein wahrer Wettbewerbsvorteil.“
H₂-Klimaneutralität einfach nachweisen
Hydrogen Europe engagiert sich über die Normungsorganisation CEN (Comité Européen de Normalisation) in der Wasserstoffnormung. Für den Verband bietet Normung die Chance, die Interessen seiner Mitglieder optimal zu vertreten – und generell finden sich hier alle Stakeholder an einem Tisch. Der Verband befürwortet für Wasserstoff einen Ansatz nach dem New Legislative Framework (NLF). Dieser Rechtsrahmen gilt für technische Produkte im EU-Binnenmarkt: Der Gesetzgeber legt dabei die wesentlichen Anforderungen fest, während harmonisierte EN-Normen – häufig deckungsgleich mit ISO-Normen – die technische Ausgestaltung liefern. Normen können zudem dabei unterstützen, die Klimaneutralität von Wasserstoff nachzuweisen, ein wesentlicher Aspekt. Hierfür hält der Verband etwa die ISO/TS 19870-x für sinnvoll. Vorteil der Norm: „Mit der technischen Spezifikation lassen sich die Treibhausgasemissionen entlang der H₂-Wertschöpfungskette einheitlich berechnen.
Über Hydrogen Europe
Der europäische Verband vertritt die Interessen der Wasserstoffindustrie und ihrer Akteure und fördert Wasserstoff als Wegbereiter für eine emissionsfreie Gesellschaft. Er repräsentiert mehr als 600 Mitglieder, 40 EU-Regionen und rund 30 nationale Organisationen.
Normungsroadmap Wasserstofftechnologien zeigt Lücken auf
Weshalb ist internationale Normung gerade für die Wasserstoffbranche wichtig? Für Hydrogen Europe sind hier vor allem drei Punkte ausschlaggebend, wie Jorgo Chatzimarkakis betont: „Vorrangig möchten wir einen schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft schaffen, schnell skalieren – und das funktioniert nur mit einheitlichen Prozessen und Anforderungen, wie sie Normen festlegen. Zweitens tragen Normen und Standards dazu bei, Kosten zu reduzieren, denn die Unternehmen können ihre Produkte maßgeschneidert entwickeln und schnell auf den Markt bringen. Und das hängt wiederum mit dem dritten Punkt zusammen: Wir möchten die Akteure der Wasserstoffwirtschaft dabei unterstützen, international zu handeln. Das gelingt nur, wenn es einheitliche technische Regeln und Qualitätsstandards gibt, die überall gelten.“
Dass bei einem umfassenden technologischen Thema wie dem Wasserstoffhochlauf nicht alle erforderlichen Normen und Standards zu Beginn vorliegen können, liegt in der Natur der Sache. Umso wichtiger ist die Normungsroadmap Wasserstofftechnologien, wie Maximilian Kuhn erklärt: „Die Roadmap zeigt die Lücken auf, wir wissen dadurch genauer, wo noch Normungsbedarf zu Wasserstofftechnologien herrscht.“ Ende 2025 wird die Erarbeitung der Normungsroadmap abgeschlossen sein. Ein erster Zwischenstand verdeutlicht bereits anschaulich, wo es noch etwas zu tun gibt – ob im Bereich der Erzeugung, der Infrastruktur, der Anwendung oder bei Querschnittsthemen und -technologien. Ein Beispiel: Im Bereich Transport- und Verteilnetze etwa liegt ein nahezu vollständiges und anwendbares technisches Regelwerk vor. Geht es dagegen um Speicher, müssen die technischen Regeln für den Einsatz von Wasserstoff überarbeitet werden.
Grafiknachbau zeigt einen Auszug der Ergebnisse der „Landkarte Sachstand“ der Normungsroadmap Wasserstofftechnologien,
Stand: Juli 2024. © DIN, DKE, DVGW, NWB, VDA, VDI, VDMA
Neue Leute in der Normung gefragt
Davon unabhängig ist es laut Kuhn wichtig, dass sich Deutschland aktiv in die internationale Normung im Bereich Wasserstoff einbringt: „Wir sind in der Wasserstoffnormung zwar immer noch das größte Normungsland. Danach kommen Frankreich und die Niederlande, die sehr gut organisiert und in den Gremien präsent sind. Mittlerweile sind jedoch viele unserer erfahrener Normungsexperten in Rente. Wir brauchen junge Leute in der Normung, um die deutschen Interessen international vertreten zu können – das ist mein Appell an die Unternehmen. Denn jeder in die Normung investierte Euro macht sich mehrfach bezahlt!“
ISO/TS 19870:2023 – Methodik zur Treibhausgasbilanzierung von Wasserstoff
- Lebenszyklusbasiert: betrachtet alle relevanten Emissionen – von der Erzeugung der Ausgangsstoffe (wie Erdgas und Strom) bis zum fertigen Wasserstoff.
- Quellenspezifische Datenerhebung: Emissionen sollen auf Basis tatsächlicher Primärdaten berechnet werden (etwa zu gemessenen Leckagen, Herkunft des Stroms).
- Sekundärdaten nur mit Vorsicht: Wenn Primärdaten fehlen, sind konservative Sekundärdaten erlaubt – sie müssen jedoch transparent und plausibel begründet werden.
- Berücksichtigt Technologien: Methoden wie Carbon Capture and Storage (CCS) oder Methanpyrolyse dürfen in die Bilanz einbezogen werden – sofern nachgewiesen.
- Kompatibel mit internationalen Standards: integriert sich in gängige Rahmenwerke wie ISO 14067 (CO₂-Fußabdruck von Produkten) oder ISO 14040/44 (Lebenszyklusanalyse).



