Sustainable Finance

Normen und Standards: Schlüssel für die Transformation der Finanzwirtschaft
Ausgabe
4 min
Ein Mann im Anzug steht vor einer grauen Wand und lächelt.

Reden wir über Geld, denn am Geld kommt niemand vorbei. Geld ist nicht nur Tauschmittel, Zahlungsmittel, Wertspeicher, Recheneinheit, Investition – Geld ist auf dieser Welt häufig ungerecht verteilt, aber Geld hat auch die Kraft, etwas durchaus ins Positive zu verändern. Sustainable Finance ist somit der positive Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit im unternehmerischen Handeln. Normen und Standards können dafür sorgen, dass dieser Schlüssel passt.

16 Billionen Euro sind im Euroraum derzeit in Umlauf – 1,5 Billionen davon als sichtbares Geld in Form von Münzen und Scheinen. Der große Rest befindet sich im Gewahrsam der Banken und Investoren – als kurzfristig verfügbare Sichteinlagen oder als langfristig angelegte Investments. Bei diesen Zahlen wird schnell klar: Wer – wie die Banken und Investoren dies tun – Finanzströme steuert, kann nicht nur Werte schaffen und erhalten, sondern auch Nachhaltigkeit und Klimaschutz gestalten. Selbst wir Verbraucher*innen haben die Möglichkeit, unser Geld nachhaltiger und klimaschonender einzusetzen. Den großen Hebel aber hat die Finanzwirtschaft selbst, also Banken, Finanzdienstleister und Investoren und Versicherungen. Ökonomie und Ökologie müssen auch hier viel enger zusammenrücken. Denn die Finanzwirtschaft und das von ihr eingesetzte Geld erleichtert den grenzüberschreitenden Handel und fördert und ermöglicht wirtschaftliche Aktivitäten. Damit ist sie entscheidend in der weltumspannenden Transformation der Industrien hin zu klimaschonenderen Geschäftsmodellen.

Nachhaltigkeit ist ein Unternehmenswert

Es ist von vielen Herausforderungen die Rede, wenn es um Sustainable Finance geht. Es geht auch um enorme Chancen für alle Beteiligten, vor allem für Unternehmen, mit ihrem Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz die eigenen Unternehmenswerte und die Reputation langfristig zu steigern sowie Resilienz gegen Krisen zu stärken.

Das Festschreiben von Regeln und Übereinkünften, wie die Finanzwelt ihren Beitrag zu mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit leisten kann, erweist sich indes als gar nicht so leichtes Unterfangen. Viele Interessen treffen aufeinander, wenn es um die Ausgestaltung eines Modus Vivendi geht: Unternehmen, die bereits zu mehr Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten verpflichtet sind, der Finanzmarkt, der aus der Welt der Risikobetrachtung kommt und für den sich Nachhaltigkeit rechnen muss, sowie die Politik mit ihrem Auftrag, einen Rahmen zur Zielerreichung vorzugeben und diesen dann auch durchzusetzen, dass Ziele auch erreicht werden.

Regulierung ist gut – Normen sind besser

Heute, 2023, sehen wir also, dass es bei den Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Erreichen von Klimazielen ohne die Finanzwirtschaft nicht geht. Die EU hat dies erkannt und gehört mit ihrem Green Deal aktuell aus meiner Sicht auf internationaler Ebene zu den politischen Treibern in Sachen Sustainable Finance. Erklärtes Ziel: mehr Transparenz, höhere Standardisierung sowie effizientes Risikomanagement für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Die politischen Akteur*innen haben mit der EU-Taxonomie- Verordnung, der Offenlegungsverordnung (SFDR) sowie der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) den Rahmen vorgegeben.

 

„Sustainable Finance ist der alles entscheidende Faktor beim Gestalten der Transformation. Ohne Normung ist das kaum vorstellbar!“

Eine der großen Herausforderungen ist dabei das Fehlen einheitlicher globaler Normen für nachhaltige Finanzprodukte und -dienstleistungen. Das Fehlen klarer Definitionen und Kriterien macht es beispielsweise Unternehmen schwer, zu beurteilen, welche Investitionen tatsächlich den gewünschten positiven Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft haben – trotz vorhandener ESG-Kriterien für nachhaltige Unternehmensstrategien. Regulatorische Vorgaben seitens der Politik oder auch Top-down-Ziele und Selbstverpflichtungen auf Unternehmensebene müssen auf Einzelziele heruntergebrochen werden, damit diese pro Standort, Produktlinie oder Lieferant gemessen und transparent nachverfolgt werden können. Dafür braucht es Leitfäden und einheitliche Bewertungskriterien, ohne die eine praktische Implementierung und Wirksamkeitsprüfung der Transformation hin zu einem nachhaltigen Unternehmen nur schwer möglich ist. Genau an dieser Stelle kann aus meiner Sicht die Normung eine entscheidende Rolle spielen.

Eine einvernehmliche Regelsetzung oder – um im Bild zu bleiben – die Bottom-up-Erarbeitung technischer Normen kann hier enorm unterstützen. Dabei muss und soll es gar nicht primär darum gehen, neue Normen zu entwickeln. Vielmehr gilt es das bestehende Normenwerk fit für die Zukunft zu machen. Das gelingt uns, indem wir bestehende Normen beispielsweise um Klimaaspekte und insbesondere die Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß ergänzen. Um diese Aspekte ergänzt können technische Normen die Wissensbasis werden, um auch Top- down gesteckte Nachhaltigkeitsziele praxiswirksam und nach einheitlichen internationalen Maßstäben umzusetzen. 

Entscheidend hierfür sind die Verfügbarkeit und Qualität von Daten sowie konsistente Metriken, etwa zur Messung des CO2-Fußabdrucks. Diese sind unerlässlich für nachhaltige Finanzentscheidungen. Aus meiner Sicht braucht es einen branchenübergreifenden Ansatz mit einheitlichen Kennzahlen, um Vergleichbarkeit zu gewährleisten und damit spürbare Effekte zu erzielen.

Common Sense für Sustainable Finance

Sustainable Finance ist dabei einer der wesentlichen Faktoren beim Gestalten der grünen Transformation. Damit nachhaltige Finanzwirtschaft ihr Potenzial und ihre Kraft voll entfalten kann, braucht es das Mitwirken aller Beteiligten.

Die beiden Welten „Top-down“-Regulierung bzw. individuelle Selbstverpflichtung und „Bottom-up“ der technischen Normung wollen wir zusammenbringen mit dem Ziel, beide Ansätze miteinander anschlussfähig zu machen. Unser Angebot an alle Stakeholder*innen, an Unternehmen, die Finanzwirtschaft und die Politik lautet deshalb: Nutzen Sie die von DIN bereitgestellte Infrastruktur und etablierte Prozesse zum Austausch. Nutzen Sie unser internationales Normungsnetzwerk für Ihren Dialog und das Gestalten eines Common Sense für Sustainable Finance.

Genau aus diesem Grund haben wir im Oktober 2023 den Normenausschuss Finanzen – kurz: NAFin – gegründet. Der NAFin ist einer von 69 Normenausschüssen bei DIN. Hier kommen unterschiedliche Interessengruppen aus Wirtschaft, Verbänden, Politik und Verbraucherschutzorganisationen zusammen. Die Hauptaufgabe: Entwicklung einheitlicher Vorgehensweisen in verschiedenen Bereichen des Finanzwesens in Form von gemeinsam erarbeiteten oder um Nachhaltigkeitsaspekte ergänzen Normen und Standards. Normung ist also ein etabliertes Angebot an Sie, liebe Finanzwirtschaft, mit Ihrem Engagement viel zu bewegen in Richtung einer nachhaltigen und klimafreundlicheren Zukunft auf unserem Planeten Erde.

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