Herkules-Aufgabe
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Für Prof. Dr. Peter Saling von der BASF spielen Ökologie und Nachhaltigkeit bei der Bewertung der eigenen Unternehmensprozesse eine große Rolle. Bereits in den 1990er Jahren hat Saling als promovierter Chemiker eine Ökoeffizienz-Analyse mit auf.
© Goetz Schleser

Duschen, Autofahren oder Zeitunglesen – in fast jeder Alltagssituation ist BASF nicht weit. Zumindest in Form eines ihrer vielen Produkte. Nachhaltigkeit gehört für den Chemie-Riesen zum Gebot der Stunde.
„Wir schaffen Chemie für eine nachhaltige Zukunft“ hat man sich auf die Fahne geschrieben. Prof. Dr. Peter Saling, Direktor für Nachhaltigkeitsmethoden bei BASF weiß, dass Normen und Standards eine wichtige Rolle spielen.

MR. NACHHALTIGKEIT BEI BASF

Prof. Dr. Peter Saling beschreibt seine Aufgabe völlig unspektakulär: Er arbeite daran, BASF nachhaltiger zu machen. Er weiß, wie wichtig es dabei ist, an einem Strang zu ziehen. Er sieht sich als BASF-interner Berater für seine Kolleg*innen, die Normen für ihre spezifischen Anwendungszwecke einsetzen müssen. Darüber hinaus engagiert sich der habilitierte Chemiker seit 15 Jahren in der Normung – seit sechs Jahren ist er Vorsitzender im ISO-Komitee für die Bewertung von Lebenszyklen von Produkten und Organisationen
(ISO/TC 207/SC 5).

VON A WIE AUTOMOBIL BIS Z WIE ZELLSTOFF

Das können wirklich nur wenige von sich behaupten: Mehr als 45.000 verschiedene Produkte aus den unterschiedlichsten Bereichen hat das Unternehmen im Programm. Die Rede ist von BASF. Aus der 1865 in Mannheim gegründeten Badischen Anilin- & Sodafabrik – kurz BASF – wurde aus einer Fabrik für Farbstoffe einer der weltgrößten Chemiekonzerne mit mehr als 111.000 Mitarbeiter*innen an knapp 300 Standorten weltweit und einem Jahresumsatz von knapp 80 Milliarden Euro. Die Klammer um Rohstoffe für Duschmittel, Kleber & Co., also um alle Produkte und Lösungen des Unternehmens, ist immer die Chemie. BASF adressiert in Summe 16 verschiedene Industrien mit seinen chemischen Produkten – von A wie Automobil bis Z wie Zellstoff. Und alle haben eines gemeinsam: Nachhaltigkeit ist das bestimmende Thema.

Nachhaltigkeit berechnen

„Um unseren Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft zu verbessern, messen wir die Gesamtauswirkungen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte unserer Geschäftsaktivitäten“, sagt Prof. Dr. Peter Saling. „Im ökologischen Kontext spielen die Treibhausgasemissionen, die mit einem Produkt über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg verbunden sind, eine zentrale Rolle – und damit auch die Berechnungsmethode.“ Der 58-Jährige ist bei der BASF für das Themenfeld Nachhaltigkeitsbewertung und -methoden verantwortlich und hat als promovierter Chemiker bereits in den 1990er Jahren bei BASF deren Ökoeffizienz-Analyse mit aufgebaut.

Nachhaltigkeit spielt bei BASF eine große Rolle. Deshalb wird an Alternativen Werkstoffen zu Kunststoff geforscht. Abbaubare Zellstoffe können bei Folien eine umweltfreundliche Alternative zu Plastik sein.
Für die nachhaltige Ausrichtung der Materialherstellung zieht BASF den Product Carbon Footprint heran. Dieser beschreibt, wie groß der CO2-Fußabdruck für einzelne Produkte und Werkstoffe ist.

Von der Wiege bis zur Bahre

Ein zentraler Hebel bei Nachhaltigkeitsbestrebungen ist das Ermitteln des CO2-Fußabdruckes für jedes einzelne Produkt. Saling: „CO2-Fußabdrücke sind eine wichtige Information zur Steuerung von Treibhausgas-Emissionen in der Wertschöpfungskette.“ Und das über den kompletten Produktlebenszyklus hinweg: von der ‚Wiege bis zur Bahre‘ – von der Rohstoffgewinnung, der Herstellung der notwendigen Ausgangsstoffe, der Produktherstellung und -nutzung bis zum Rückführen der eingesetzten Rohstoffe in ein Recyclingmaterial oder in neue Produkte. Das mag für ein Unternehmen, das auf einige wenige Produkte für eine bestimmte Industrie spezialisiert ist, mit vertretbarem Aufwand machbar sein. Aber für ein Unternehmen mit 45.000 Produkten gleicht das einer Herkulesaufgabe. Der Product Carbon Footprint, abgekürzt PCF, wie der CO2-Fußabdruck für einzelne Produkte auch genannt wird, ist also der Schlüssel zur Bemessung und schließlich Bewertung des Beitrages von Produkten zur Treibhausgasreduktion.

Die PCF-Berechnung bei BASF stützt sich auf umfangreiche Daten aus der Erhebung von Emissionen im eigenen Produktionsnetzwerk (Scope 1), auf qualitativ hochwertige Durchschnittsdaten für zugekaufte Energie (Scope 2) sowie eingekaufte Rohstoffe (Scope 3 upstream – siehe Infografik auf S.47). „Um Ergebnisse, in einem harmonisierten Ansatz anwenden zu können, vergleichbar zu machen und eine Weiterverarbeitung der Ergebnisse zu ermöglichen, sind Normen und Standards unverzichtbar“, weiß Saling. „Weltweit tätige Unternehmen wie BASF setzen auf international anerkannte Standards. So sprechen wir mit allen Akteuren der Wertschöpfungskette eine Sprache. Normen geben die Spielregeln vor, sie definieren Rechenwege, Qualität und Anwendbarkeit.“

BASF unterteilt die Überprüfung der Nachhaltigkeit von eigenen Produktionsprozessen in drei Stufen. In einem ersten Schritt wird die Freisetzung klimaschädlicher Gase im eigenen Unternehmen betrachtet. Im nächsten Schritt folgt die Betrachtung der Gesamt-Wertschöpfungskette samt Energieverbrauch. Im dritten Scope wird auch die Lieferkette miteinbezogen.

Von Unternehmens- bis auf Produktebene

Der Bewertungsansatz zur Ermittlung von Treibhausgasen folgt Lebenszyklus-Analysen nach allgemeinen Normen für produktbezogene Ökobilanzen (ISO 14040/14044). Auf organisatorischer Ebene spielt die ISO-Norm 14072 eine wesentliche Rolle: Sie gibt Hilfestellungen für die Anwendung von ISO 14040/14044 zur Öko-Bilanzierung ganzer Unternehmen. Die aktuelle und wohl wichtigste Norm in diesem Kontext ist ISO 14067: Sie standardisiert das Ermitteln der Treibhausgasemissionen von Produkten. Saling: „Die ISO 14067 ermöglicht auch die Berechnung und Auswertung des sogenannten Fossil Carbon Removal, also der Entzug von CO2 aus Prozessen und die anschließende Nutzung von CO2 in neuen Produkten.“ Auf Organisationsebene liefert auch die ISO 14064 Leitlinien für die Treibhausgasbetrachtung. Darüber hinaus geben auch die Green House Gas (GHG) Produkt und Corporate Standards den Rahmen für PCF-Berechnung vor.

Am Anfang waren die Farben

Die Gründung der Badischen Anilin- & Sodafabrik 1865 Steinkohlenteer als Ausgangsstoff für synthetische Farbstoffe nutzen: Das war die Idee von BASF-Gründer Friedrich Engelhorn (1821–1902). Er war Besitzer einer Leuchtgasfabrik in Mannheim und sieht Möglichkeiten, die der in seiner Leuchtgasfabrik als Nebenprodukt anfallende Steinkohlenteer bietet. 1861 startet er die Produktion des roten Farbstoffs Fuchsin und Anilin, dem aus Steinkohlenteer gewonnenen Ausgangsstoff. Am 6. April 1865 macht er ein Unternehmen daraus und gründet in Mannheim die Aktiengesellschaft „Badische Anilin- & Sodafabrik“. Weil er in Mannheim kein geeignetes Gelände für seine Fabrikhallen findet, zieht Engelhorn kurz nach der Gründung nach Ludwigshafen, das am gegenüberliegenden Rheinufer liegt. Der Grundstein für BASF war gelegt.

Mit Normen zu Klarheit, Vergleichbarkeit und Transparenz

„Was bisher gefehlt hat, sind qualitativ hochwertige, detaillierte Primärdaten, die auf Grundlage dieser Normen speziell für die gesamte chemische Industrie entwickelt werden können“, weiß Saling. Genau aus diesem Grund hat BASF sich für das branchenweite Harmonisieren der PCF-Berechnung stark gemacht. Herausgekommen ist im November 2022 die Publikation einer sektorspezifischen Richtlinie in Verantwortung der weltweit aufgestellten Initiative „Together for Sustainability“ (TfS), ein Bündnis von 43 Unternehmen der chemischen Industrie. Saling als Vorsitzender der Richtlinienentwicklung und sein TfS-Team waren federführend bei der Ausarbeitung des TfS-Dokuments.

Farben spielen bei BASF schon seit der Gründung des Unternehmens eine große Rolle. Während die synthetischen Farbstoffe zunächst aus Streinkohlenteer hergestellt wurden, kommen heute auch Keramikfarben, Lacke auf Wasserbasis und Kunstharze zum Einsatz.

Welche Rolle Normen und Standards dabei gespielt haben? „Die ISO-Normen waren dabei ein wichtiger Pfeiler, denn die darin enthaltenen Anforderungen schaffen Klarheit, Vergleichbarkeit und Transparenz“, sagt Saling. BASF hat seine eigene PCF-Berechnungsmethode auf Grundlage der oben genannten ISO-Normen mit Lieferanten, Kunden und Fachkollegen geteilt, um so die Grundlage für eine industrieweit verbindliche und umfassende CO2-Bilanzierung zu schaffen und Transparenz von PCF-Daten zu fördern. Sie war ebenfalls eine Grundlage für die TfS Richtlinie für die chemische Industrie. Saling: „Darüber hinaus haben wir sogar unsere digitale Lösung „SCOTT“ zur PCF-Berechnung über Softwarelizenzen dem Markt zur Verfügung gestellt.“

Gemeinsam – so entstehen Normen und Standards

Hat die TfS-Initiative das Zeug zum internationalen Standard? „Ja, ganz bestimmt“, sagt Saling. „Unsere Arbeit für die TfS-Initiative treibt die Standardisierung voran, indem sie auf bestehende internationale Normen und Standards setzt. Der nächste Schritt ist die Akzeptanz der Richtlinie in weiteren sektorspezifischen Richtlinien und möglicherweise die Erarbeitung eines internationalen Standards, mit dem wir die Initiative in den Normungsprozess einbringen und in eine internationale Norm gießen könnten. Dazu bietet uns die Gremienarbeit bei DIN und ISO die besten Voraussetzungen.“

Die Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungsketten schafft ein hohes Maß an Transparenz und bringt alle Beteiligten dem wichtigen Ziel näher, Treibhausgase wo nur möglich gegen Null zu verringern. Ein Anspruch, den BASF für all seine 45.000 Produkte umsetzen will.

Standards zur Bewertung von Nachhaltigkeit

Peter Saling über seine Arbeit bei BASF und die Wichtigkeit genormter Daten und Bewertungssysteme für die Weiterentwicklung und Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeit.

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