CO₂-Emissionen bestimmen: Standards helfen der Industrie
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Text: Dieter Westerkamp, Bereichsleiter VDI Technik und Gesellschaft 

Industriebetriebe sind angehalten, ihre Emissionen zu verringern. Doch wie sieht die CO₂-Bilanz eigentlich aus und wie können Unternehmen den Ausstoß messen? Zwei Standards geben klare Orientierung und helfen damit der Industrie.

2020 verursachte die EU-27 insgesamt rund 3.300 Millionen Tonnen Treibhausgase in Kohlendioxid (CO₂)-Äquivalenten. Allein Deutschland, Frankreich, Italien und Polen verursachten zusammen circa 57% davon. Der Klimaschutzplan 2050 sieht für Deutschland ehrgeizige Ziele vor: Maximal 139 Millionen Tonnen CO₂ darf die ansässige Industrie im Jahr 2030 ausstoßen. Der Weg dahin ist weit; die Zielerreichung lange nicht in Sicht. Kraftwerke, Raffinerien sowie Stahlwerke sorgten 2021 deutschlandweit für 359 Millionen Tonnen CO₂, so das Unionsregister der EU-Kommission.

Die Industrie ist gefordert und arbeitet intensiv an der klimaneutralen Produktion. Doch wie misst man die Emissionen und gibt es Standards, die Orientierung bieten?

Was versteht man eigentlich unter einer CO₂-Bilanz?

Die sogenannte CO₂-Bilanz greift als Tool für den Klimaschutz. Nicht nur Städte und Kommunen ordnen so ihren Ausstoß zu, sondern auch industrielle Unternehmen. Bei Produkten aus Industrie oder Landwirtschaft wird berechnet, an welcher Stelle im Produkt-Lebenszyklus wie viel klimarelevantes CO₂ entsteht. Die Summe daraus nennt sich CO₂-Bilanz. Das Ziel ist es, den Energieverbrauch sowie die Emissionen an Treibhausgasen abzubilden.

Der Anteil von Eisen- und Stahlhütten verursachten industriellen Treibhausgasen liegt bei 29,6%.

Welche Emissionsquellen gibt es?

Besonders relevant ist der Energiesektor — vor allem Kohlendioxid wird hier über stationäre und mobile Quellen emittiert. Prozesse der Industrie sowie der Landwirtschaft tragen ebenfalls nicht unerheblich zum Ausstoß von treibhausgasrelevanten Gasen bei. In erster Linie werden hier Methan und Lachgas freigesetzt, die noch erheblich klimaschädlicher sind als CO2.
Der Industriesektor stieß in Deutschland 2021 mehr als 120 Millionen Tonnen CO2-äquivalente Treibhausgasemissionen aus. Die Branche „Eisen und Stahl“ machte laut dem Erhebungsportal Statista mit circa 29,6% den größten Anteil an den gesamten Industrieemissionen aus. Der Energiesektor bleibt jedoch einer der größten Quellen anthropogener Treibhausgasemissionen. Im Sektor Landwirtschaft gingen die Treibhausgasemissionen 2021 um 1,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf 61 Millionen Tonnen zurück. Im Bundes-Klimaschutzgesetz sind Jahresemissionsmenge von 68 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten festgelegt. Das Ziel ist also deutlich unterschritten.

Wie lassen sich Emissionen ermitteln?

Um mit einem Missverständnis aufzuräumen: Gesamtemissionen werden berechnet, denn eine komplette messtechnische Erfassung ist schier unmöglich. Messtechnik müsste an Millionen Fabrikschloten, Auspuffanlagen von Fahrzeugen und Schornsteinen von Heizungsanlagen und Co. angebracht werden. Ganz zu schweigen von Tieremissionen insbesondere von Kühen, die beim Verdauungsprozess Methan produzieren.

Für die Berechnung sind zwei Werte entscheidend: die Aktivitätsrate sowie der Emissionsfaktor.

Eine Messung der realen Gesamtemission ist nicht möglich. Daher wird diese anhand der Aktivitätsrate und eines Emissionsfaktors berechnet.

Unter der Aktivitätsrate versteht man das Ausmaß eines bestimmten Emissionsvorgangs. Das heißt zum Beispiel: Wie viele fossile Brennstoffe verwenden Deutschlands Stromerzeuger im Jahr? Die durchschnittlichen Emissionen gibt der zweite Wert an — sprich die Emissionen pro Tonne Erdöl etc. Die Formel für die Emissionsberechnung lautet also: Aktivitätsrate x Emissionsfaktor. Doch ganz so einfach ist die Rechnung dann doch nicht, was unter anderem an schwankenden Datenwerten oder “Fehlstellen” liegen kann.

Standards sind es, die betreibende Firmen in hohem Maße unterstützen, ihre Emissionen genau zu berechnen und Klimaziele einzuhalten.

Welche Standards gibt es?

In diesem Beitrag sollen zwei Standards näher betrachtet werden: DIN CEN/TS 17405 „Emission – Ermittlung der CO2-Volumenenkonzentration“ sowie die DIN EN 19694 Teil 1 „Emission – Bestimmung von Treibhausgasen (THG) aus energieintensiven Industrien. In der Technischen Spezifikation DIN CEN/TS 17405 geht es um Emissionen aus stationären Quellen sowie die Ermittlung der Volumenkonzentration von Kohlenstoffdioxid. Das Dokument legt das Referenzverfahren zur Messung von CO2 auf Basis des Infrarot-Absorptionsverfahrens fest. Es beinhaltet die Einrichtungen zur Probenahme und zur Probengasaufbereitung und erlaubt die Bestimmung von CO2 in Abgasen, die aus Abgaskanälen und Kaminen in die Atmosphäre emittiert werden. Die Spezifikation legt die Messung der gesamten CO2-Konzentration fest und unterscheidet nicht zwischen biogenem (aus nachhaltigen Quellen gewonnen) und fossilem CO2. Zudem werden bestimmende Verfahrenskenngrößen und Mindestanforderungen festgelegt, die von portablen automatischen Messeinrichtungen  auf Basis des Infrarot-Messverfahrens eingehalten werden müssen. Die Spezifikation gilt für wiederkehrende Messungen und für die Kalibrierung oder Überprüfung von automatischen Messeinrichtungen, die aus gesetzgeberischen oder anderen Gründen stationär an einem Abgaskanal installiert sind.
Die Norm DIN EN 19694 Teil 1 behandelt Emissionen aus stationären Quellen sowie die Bestimmung von Treibhausgasen aus energieintensiven Industrien. Allgemeine Aspekte sind in dieser Norm zur Bestimmung aus sektorspezifischen Quellen aus der Stahl-und-Eisen-, Zement-, Aluminium-, Kalk-und Eisenlegierungen- produzierenden Industrie zu finden. Vor allem Definitionen und Regeln geben Orientierung. Gemeinsame methodische Fragen werden geregelt. Mess-, Prüf- und Bestimmungsmethoden zur Quantifizierung von Treibhausgas sind ebenso enthalten wie die Schaffung und Bereitstellung von zuverlässigen, genauen und qualitativ hochwertigen Informationen für die Berichterstattung und zu Kontrollzwecken. Der große Vorteil: Genauigkeit, Präzision und Reproduzierbarkeit der erzielten Ergebnisse. Beide Normen wurden in der VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft erarbeitet.

Warum Standards ein Vorteil für die Industrie sind

Die Minderung von Emissionen ist ein Ziel, welches überwacht werden muss. Dies funktioniert nur mit standardisierten Verfahren. Insofern stellen die beiden vorgestellten Normen für die Industrie eine echte Hilfe dar, vergleichbare Ermittlungen von Emissionen durchführen zu können. Auf die gleichen Verfahren setzen auch Genehmigungs- und Überwachungsbehörden.

Die Normen sorgen also dafür, dass alle Beteiligten sich auf standardisierte Prozesse – in diesem Fall Mess- bzw. Ermittlungsverfahren – verlassen können. Dies ist eine Unterstützung für alle Beteiligten und am Ende ein Beitrag zur Erreichung der Klimaziele.

© VDI

Dieter Westerkamp

Bereichsleiter VDI Technik und Gesellschaft

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