Inhaltsverzeichnis
Je hitziger die Debatte ist, desto wichtiger werden ein kühler Kopf und ein Blick auf die Fakten.
Tatsachen sind: Die Welt wird wärmer. Klimamodelle aus Supercomputern sagen eine weitere Temperatursteigerung voraus. Extremwetterereignisse nehmen zu. Deshalb müssen wir etwas für den Schutz unseres Planeten tun. Die daraus resultierenden Maßnahmen müssen global gedacht und gemacht werden – Alleingänge führen in Sackgassen. Normen und Standards können einen essenziellen Beitrag leisten.
Waldmäuse wachsen: Bis zu zehn Prozent haben Schwänze zugelegt.
Größe kühlt
Der Klimawandel ist nicht nur mit einem Thermometer, sondern auch mit dem Lineal messbar: Die Körperproportionen kleiner Säugetiere verändern sich. Große Ohren, längere Beine und lange Schwänze helfen beim Temperaturausgleich. Die Forscher bleiben gelassen: Waldmäuse sind ein gutes Beispiel für die Anpassungsfähigkeit von Flora und Fauna.
01 - Wetter ist hier und heute. Klima ist immer und überall.
Klima ist die Betrachtung des Wetters über einen längeren Zeitraum (üblicherweise 30 Jahre). Es wird geprägt durch Temperatur, Niederschläge, Wind, Feuchtigkeit und Strahlung. Unser Klima basiert auf einem komplexen Zusammenspiel von Land- und Wassermassen, von Kryosphäre (Eisflächen) und Biosphäre (Pflanzen und Lebewesen mit jahreszeitlichen Wechseln) sowie der Atmosphäre. Die Sonne versorgt das Gesamtsystem mit durchschnittlich 340 Watt/m2. Das ist in Summe ungefähr das 15.000-Fache des Energiebedarfs der Menschheit. Diese Energie muss wieder ins Weltall abgegeben werden, sonst überhitzt das Gesamtsystem – sprich unsere Erde.
Knapp ein Drittel der einfallenden Sonnenstrahlen wird direkt wieder ins All reflektiert – von Wolken, Eis und Wasser. Die restlichen 70 Prozent erwärmen unseren Planeten. Sonnenstrahlen allein könnten die Erdoberfläche allerdings nur auf frostige minus 18 °C aufheizen – immerhin deutlich mehr als die minus 270 °C, die im umgebenden Weltall herrschen.
02 - Der natürliche Treibhauseffekt
Den Unterschied zwischen minus 18 °C und den tatsächlichen plus 15 °C, die im langjährigen Mittel auf unserer Erde herrschen, bewirkt der bereits 1824 von Jean Baptiste Fourier postulierte natürliche Treibhauseffekt. Fourier vermutete, dass bestimmte Gase in der Erdatmosphäre die ankommende (kurzwellige) Sonnenstrahlung weitgehend durchlassen, die langwellige Wärmeabstrahlung der Erde aber partiell absorbieren. Das mit Abstand wichtigste natürliche Treibhausgas ist Wasserdampf, dessen Einfluss auf unser Klima zwei- bis dreimal stärker ist als der von anderen Gasen.
Unsere Atmosphäre besteht zu 78 Prozent aus Stickstoff und zu 21 Prozent aus Sauerstoff. Dazu kommen zahlreiche Spurengase, von denen einige den Treibhauseffekt verstärken: zum Beispiel Kohlenstoffdioxid, Methan, Distickstoffoxid (Lachgas) oder auch Fluorchlorkohlenwasserstoff. Bei Sonneneinstrahlung erwärmen sich diese Gase und strahlen Wärmeenergie wieder in alle Richtungen ab – teilweise zurück Richtung Land und Meer. Ohne diesen Treibhauseffekt wäre Leben auf unserem Planeten nicht möglich. Er sorgt für freundliche Temperaturen, befeuert Stoffwechsel und hält den Wasserkreislauf in Gang.
Obwohl die Spurengase zusammen nur 0,1 Prozent der Gase in der Erdatmosphäre ausmachen, haben sie die Kraft, unser Klima jenseits der eingespielten Regelkreise zu beeinflussen – sofern ihre Konzentration durch menschliche Emissionen zusätzlich erhöht werden.
Der Meeresspiegel steigt derzeit um 2,3 Millimeter pro Jahr.
Wärme dehnt
Es sind nicht nur schmelzende Pole oder Gletscher, es ist reine Physik: Meeresspiegel steigen, weil sich warmes Wasser aufgrund der Eigenbewegung von Molekülen ausdehnt. Der Weltklimarat prognostiziert bis 2100 einen Anstieg von 82 Zentimetern im Vergleich zum Jahr 1900.
03 - Es wird wärmer. Aber wie viel? Und wo und warum?
Seit Beginn der Industrialisierung – genauer gesagt seit 1880 – hat sich die Erde im globalen Mittel um 0,8 °C erwärmt. Bis 1980 pendelte die Temperaturkurve um einen Durchschnittswert und steigt danach kontinuierlich an. Auch andere Parameter belegen den Wandel: So ist die CO2-Konzentration in den vergangenen 120 Jahren von 0,028 auf derzeit 0,041 Prozent gestiegen (Quelle: Umweltbundesamt). Eisbohrkerne aus der Ostantarktis belegen, dass die Temperaturentwicklung auf der Erdoberfläche seit Millionen Jahren mit dem CO2-Gehalt der Atmosphäre Hand in Hand geht.
Bei näherer Betrachtung treten erstaunliche Fakten zutage: So produziert beispielsweise die Zementindustrie viermal mehr CO2 als der gesamte internationale Luftverkehr. Und während der CO2-Ausstoß in den Industriestaaten wie beispielsweise in den USA, in Frankreich, im Vereinigten Königreich und nicht zuletzt auch in Deutschland seit Jahren deutlich zurückgeht, sind es vor allem die Schwellenländer, die für eine stetige Steigerung sorgen.
Unter dem Strich sind diese Volkswirtschaften aktuell für zwei Drittel der energiebedingten Kohlenstoffdioxidemissionen verantwortlich. Sie verfügen allerdings teilweise weder über ausreichende Finanzmittel noch über die notwendigen Technologien, um ökologisch ausgerichtete Systeme zur Energiegewinnung oder umweltfreundliche Fertigungslinien aufzubauen.
Allianzen und Konferenzen
1992 wurde in Rio de Janeiro im Rahmen der UN-Konferenz „Umweltgipfel“ eine Klimarahmenkonvention unterzeichnet. Rio gilt als erste größere internationale Konferenz, die globale Umweltfragen diskutierte. Das Wort „Klima“ kommt in den verabschiedeten 27 Grundsätzen zwar (noch) nicht vor, dafür ist allgemein von „Umweltfragen“ die Rede. Etwas konkreter wurden dann die ab 1995 jährlich stattfindenden Klimakonferenzen. Auf der zweiten Klimakonferenz COP 2 (Conference of the Parties 2) stellten die Teilnehmer 1996 in Genf fest: „Die Abwägung der Erkenntnisse legt einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima nah.“ Erst die dritte Konferenz brachte 1997 in Kyoto den Durchbruch: mit dem derzeit gültigen Kyoto-Protokoll. Es wurde inzwischen von 191 Staaten ratifiziert, darunter alle EU-Mitgliedstaaten sowie wichtige Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien und Südafrika. Die USA haben das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert, Kanada ist im Jahr 2013 ausgetreten.
04 - Das vergessene Klimagas: CH4
05 - Quellen und Senken der Treibhausgase
Die vom Menschen seit Beginn der Industrialisierung zunehmend freigesetzten Kohlenstoffdioxidmengen stammen vor allem aus der Elektrizitäts- und Wärmeerzeugung (42 Prozent), gefolgt vom Verkehr (25 Prozent) und von industriellen Prozessen (19 Prozent). Methan dagegen entweicht vor allem bei anaeroben Fäulnisprozessen in den Tropen (rund 40 Prozent), aus den Mägen von Wiederkäuern (rund 20 Prozent), bei der Gewinnung von Erdgas und Kohle (rund 20 Prozent) sowie beim Nassreisanbau (rund acht Prozent). Termiten tragen immerhin noch zwei Prozent zum jährlichen Methanausstoß bei. Mal abgesehen von den Insekten hängen diese Emissionen direkt sowohl mit der Industrialisierung als auch mit der wachsenden Menschheit sowie deren Fleischkonsum zusammen.
Ebenso wichtig wie die Treibhausgasquellen sind deren Senken – sprich die Prozesse, die das Gas langfristig binden und damit der Atmosphäre entziehen. Dazu zählen vor allem die Ozeane, gefolgt von Wäldern und Mooren. Die Weltwetterorganisation (WMO) schätzt, dass die Hälfte der vom Menschen ausgestoßenen Treibhausgase unmittelbar wieder von natürlichen Senken absorbiert wird. Allerdings verlieren diese Treibhausgassenken zunehmend an Wirksamkeit: So wird der Amazonasurwald weiterhin abgeholzt, als gäbe es kein Morgen.
06 - Nur gemeinsam wird es kälter
Um ein globales Problem zu lösen, bedarf es globaler Anstrengungen. Alleingänge einzelner Staaten sind kontraproduktiv, da die dabei ausgegebenen Summen wenig bewirken und später an den entscheidenden Stellen fehlen. Deshalb haben sich Organisationen und Staaten schon früh organisiert, um das Problem zu quantifizieren und gemeinsame Lösungswege zu qualifizieren.
Als erste bedeutende kosmopolitische Organisation hat der Club of Rome 1972 „Die Grenzen des Wachstums“ postuliert. Während die Autoren die Zunahme der Erdbevölkerung richtig voraussagten, lagen sie allerdings bei der Reichweite von Rohstoffen sowie bei der weltweiten industriellen Entwicklung falsch. Das war den damals unzuverlässigen Computer-Simulationen geschuldet. Nichtsdestotrotz löste der Club of Rome ein globales Umdenken aus und darauf aufbauend die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien.
3% nimmt die Pollen-konzentration in Städten zu.
Pollen: Früher und mehr
Kohlenstoffdioxid wirkt als Dünger. Pflanzen lieben den Stoff: Er fördert Wachstum und Pollenzuwachs. Mit drei Prozent Zuwachs pro Jahr fällt dieser Effekt in Städten spürbar aus; in ländlichen Regionen ist es nur ein Prozent. Mit höheren Temperaturen kommen zudem neue Pflanzen ins Land – und damit neue Allergene.
07 - Von COP 1 in Berlin bis COP 26 in Glasgow
Völkerrechtlich in Kraft getreten ist das Kyoto-Abkommen im Jahr 2005. Es legte erstmals verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen fest. Die Vertragspartner verpflichteten sich, ihren jährlichen Treibhausgasausstoß bis 2012 um rund fünf Prozent in Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Diese Emissionsziele wurden im Großen und Ganzen erreicht. Der nächste bahnbrechende Durchbruch wurde dann allerdings erst wieder 2015 während der 21. internationalen Klimakonferenz erreicht: mit dem Pariser Abkommen. Darin verpflichten sich alle Staaten, die Weltwirtschaft auf klimafreundliche Weise umzubauen. Ein historischer Schritt nach dem Kyoto-Protokoll, welches nur die unterzeichnenden Industriestaaten in die Pflicht nahm. Was die teilnehmenden Staaten tun müssen, um das vereinbarte 1,5-°C-Ziel zu erreichen, war allerdings nicht Gegenstand der Verhandlungen. Konkreter wurde erst wieder die 26. Weltklimakonferenz (COP 26) 2021 in Glasgow. Hier hat sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, die Energiegewinnung durch Kohle schrittweise abzubauen. Darüber hinaus sollen Subventionen für Öl, Gas und Kohle eingeschränkt werden.
08 - Die Folgen des Klimawandels
Teilweise bestimmen Schreckensbilder die Diskussion. Worst-Case-Szenarien, die das baldige Ende der Menschheit durch Fluten oder Hitzewellen prognostizieren, sind ausgehend von der heutigen Datenlage aber nicht realistisch. Grund zur Sorge und zum Handeln gibt es aber allemal: Der Meeresspiegel könnte laut Weltklimarat bis 2100 um 82 Zentimeter ansteigen und die klimatischen Veränderungen werden weitreichende Veränderungen bewirken. Dazu zählen nicht nur mehr und kräftigere Stürme, sondern auch eine Ausdehnung der Wüstenflächen. Im Gegensatz dazu könnten an anderen Orten regionale Niederschläge und damit verbundene Extremwetterlagen zunehmen. Der Grund: Warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen, das irgendwann und irgendwo wieder abregnen muss. Wo der Mensch langfristige klimatische Veränderungen nicht abwenden kann, muss er sich anpassen. So können beispielsweise Infrastrukturschutzbauten die Folgen von Extremwetterereignissen verringern.
09 - Es wird wärmer. Aber nicht überall
Die Prognosen wiederum hängen von zahlreichen Parametern ab: von den eingesetzten Algorithmen bis hin zu den verwendeten Daten. Dazu zählen vor allem die angenommene Menge des CO2-Ausstoßes, aber beispielsweise auch der prognostizierte Wassergehalt im Jahresverlauf in der oberen und unteren Atmosphäre, der Gasaustausch zwischen diesen Schichten, die Auswirkungen der Zirkulationssysteme El Niño und La Niña im äquatorialen Pazifik, die Dynamik der Sonneneinstrahlung, das Verhalten von Klimagassenken und -quellen, die Chemie und Dynamik der Ozeane, die Vegetation auf der Erdoberfläche und nicht zuletzt das Verhalten der Menschheit. Wegen der Vielzahl der Variablen und den daraus resultierenden Unwägbarkeiten berechnen die meisten Institute mehrere alternative Klimaprojektionen. Der aktuelle, im Februar erschienene Bericht des „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC, eine Institution der Verinten Nationen) differenziert beispielsweise zwischen fünf möglichen Klimaszenarien.
Jetzt die guten Nachrichten
- 2008 haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen in ihren Ländern bis 2020 um 20 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Dieses Ziel wurde drei Jahre früher als geplant erreicht.
- Die Treibhausgasemissionen haben sich in Deutschland im Vergleich zu 1990 bereits um mehr als 40 Prozent reduziert. Allein 2020 lagen unsere Emissionen um 9,7 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres – und das nicht nur wegen Corona.
- In Deutschland ist der Fleischkonsum seit mehreren Jahren rückläufig, in der EU stagniert er zumindest. Eine aktuelle Studie von Kerney rechnet vor, dass in Europa und den USA 2035 das Maximum bei Erzeugung und Konsum von Fleisch-, Milch-, Ei- und Fischprodukten erreicht werden könnte. Ab diesem Zeitpunkt würden überwiegend Ersatzprodukte auf pflanzlicher Basis verzehrt.
- Immer mehr Länder erkennen die Notwendigkeit eines konzertierten Vorgehens im Kampf gegen den Klimawandel und fahren zum Beispiel die Subventionen für fossile Energien weiter zurück.
Im Worst Case des Weltklimarates zerstreitet sich die Weltgemeinschaft über Umweltfragen, der Ausstoß von CO2 steigt ungezügelt, das Erreichen nicht rückgängig machbarer „Tipping-Points“ verändert irreversibel das Klima und die Erde wird unbewohnbar heiß. Zu diesen Tipping-Points zählen beispielsweise das Abschmelzen der polaren Eisschilde oder auch das Auftauen der sibirischen Permafrostböden. Für am wahrscheinlichsten hält der Weltklimarat allerdings eine Fortschreibung der aktuellen Trends und Aktivitäten – mit dem Ergebnis, dass sich die Erde vom Jahr 1880 bis zum Jahr 2100 um insgesamt 2,7 °C erwärmt. Zwei Grad hält der IPCC für „gerade noch klimaverträglich“. In diesem Rahmen können sich Ökosysteme, Nahrungsmittelproduktion und die wirtschaftliche Entwicklung im Großen und Ganzen anpassen. Voraussetzung dafür wäre allerdings eine Halbierung der globalen CO2-Emissionen. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen können neue Technologien beitragen, die beispielsweise CO2 aus der Luft filtern und im Boden speichern können. Dazu dienen Carbon-Capture-and-Storage-Technologien; erste Testanlagen sind schon in Betrieb.
Aus Maiglöckchen werden Aprilglöckchen.
Blumen und Bäume blühen früher
Seit den 80er-Jahren blühen Blumen und Kräuter im Schnitt 31,5 Tage früher als Mitte des 20. Jahrhunderts. Bäume blühen nach einer Studie der britischen Royal Society 15 Tage, Sträucher zehn Tage früher. Für die Pflanzen ist das gefährlich: Erst Mitte Mai und nach den Eisheiligen nimmt die Gefahr durch Nachtfröste ab.
10 - Deutsche und europäische Anstrengungen
11 - Mit gutem Beispiel und weniger Emissionen voran
Die EU will bis 2050 klimaneutral sein. Nach der gemeinsamen Verabschiedung des langfristigen EU-Haushalts 2021–2027 sollen mindestens 30 Prozent des Etats für klimabezogene Projekte eingesetzt werden. Als konkrete Maßnahmen sieht der EU-Klimapakt „Green Deal“ unter anderem die stufenweise Senkung der Emissionsgrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge vor; von 2030 an beispielsweise um 55 beziehungsweise 50 Prozent. Darüber hinaus schreibt das Emissionshandelssystem der Union Obergrenzen für die CO2-Emissionen von Schwerindustrie, Luftfahrt und Kraftwerken vor. Drei Viertel der europäischen Treibhausgasemissionen werden durch die Erzeugung und den Verbrauch von Energie verursacht. Deshalb bemüht sich die Gemeinschaft auch um eine Dekarbonisierung des Energiesektors. Helfen soll dabei die von der Europäischen Kommission bereits Mitte 2020 verabschiedete EU-Wasserstoffstrategie. Laut EU soll grüner Wasserstoff bis spätestens 2050 „in systemrelevantem Umfang“ hergestellt werden. Grüner Wasserstoff wird mit regenerativen Energien produziert und kann als das bisher in der Energiewende fehlende Speichermedium dienen.
12 - Das Reich der Gase
Mit jährlich 11.256 Mio. t ist China mit Abstand der größte CO2-Emittent auf unserem Planeten – das entspricht gut 30 Prozent des gesamten weltweiten Ausstoßes. Nichtsdestotrotz will China die Pariser Klimaziele erreichen. Das Land soll bis 2060 klimaneutral werden, hat dazu aber noch kein Strategiepapier vorgelegt. Im Gegenteil: Derzeit sind im Reich der Mitte und der Gase mehr als 200 neue Kohlekraftwerke im Bau; dafür wurden eigens 150 Kohleminen neu in Betrieb genommen.
Die USA tragen knapp 13,5 Prozent zum CO2-Ausstoß bei. Anfang 2021 wurden die USA wieder Mitglied im Pariser Klimaabkommen und machten damit einen vorübergehenden Austritt wieder rückgängig. Präsident Biden will die amerikanischen CO2-Emissionen bis 2030 auf die Hälfte von 2002 zurückführen. Geplant sind unter anderem Subventionen für ökologisch ausgerichtete Stromproduzenten; Elektroautos sollen mit bis zu 12.500 Dollar gefördert werden. Dafür sollen Subventionen für die Öl- und Gasindustrie wegfallen. Allerdings kämpft der Präsident gerade im Kongress um die Finanzierung seiner Pläne; der Ausgang ist ungewiss.
Indien als drittgrößter weltweiter CO2-Emittent geht einen ähnlichen Weg wie China: Der staatliche Konzern Coal India baut überall im Land neue Kohlekraftwerke. „Erneuerbare Energien ermöglichen uns keine wirtschaftliche Zukunft“, heißt es aus Delhi.
13 - Globales Handeln verlangt nach globalen Regeln
Die Einigung auf das 1,5-°C-Ziel im Abkommen von Paris gilt als übergeordnete Norm für die Völkergemeinschaft im Kampf gegen den Klimawandel. Neben der Unterstützung von Politik und Wirtschaft bedarf es aber weiterer Standards, um dieses Ziel auch erreichen zu können. Denn gemeinsam verabschiedete Regelwerke helfen zum Beispiel dabei, Messmethoden zu vereinheitlichen und standardisierte Prüfparameter zu etablieren. Sie definieren darüber hinaus eine gemeinsame Sprache und richten die Aktivitäten aller Beteiligten auf konkrete, überprüfbare Ziele aus. Des Weiteren tragen Normen dazu bei, Prozesse der Anpassung an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels besser zu bewältigen.
Mit der London Declaration haben die internationale Normungsorganisation ISO und ihre nationalen Mitgliedsorganisationen bereits einen gemeinsamen Weg in die Zukunft vorgezeichnet. Die Deklaration verpflichtet die weltweite Standardisierungsgemeinschaft, neue und zu überarbeitende Normen und Standards an den Zielen des Pariser Abkommens auszurichten sowie die Klimawissenschaft bei der Entwicklung einzubeziehen.
14 - Vermeiden, kooperieren und anpassen
Normen helfen aber nicht nur bei der Vermeidung bzw. Verminderung von Treibhaus-Emissionen sowie der Anpassung an die Folgen des Klimawandels, sondern regeln auch die Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen wie Politik und Behörden, Verbrauchervertreter*innen und Verbände, NGOs und der Wirtschaft. Sie sind darüber hinaus auch ein wichtiges Instrument, um neue Technologien an den veränderten Rahmenbedingungen auszurichten und Anpassungsprozesse einzuleiten. Diese helfen dabei, die drohenden Folgen des Klimawandels möglichst gut zu überstehen – beispielsweise durch eine Sicherung von bedrohten Infrastrukturen wie die Intensivierung des Deichbaus.
Alle Vögel sind schon da. Nur der Kuckuck nicht.
Wer zu spät kommt, den bestraft das Nest
Durch den Klimawandel kehren viele Zugvögel früher heim – durchschnittlich um zwei Wochen. Nur der Kuckuck bleibt bei seinem bisherigen Zeitplan. Wenn er dann seine Eier in fremde Nester legen will, sind die potenziellen Pflegeeltern längst am Brüten, bemerken die ungebetenen Findelkinder und werfen sie aus dem Nest – so eine Befürchtung des Nabu.
15 - DIN ist aktiv
Um die grüne Transformation aktiv zu unterstützen und dem Klimawandel zu begegnen, hat DIN mehrere Projekte und Arbeitskreise ins Leben gerufen: Im Herbst 2021 wurde der DIN-Arbeitsausschuss „Klimawandel“ eingerichtet, um diverse Normungsaktivitäten strukturell zu bündeln.
Arbeitskreise des Gremiums engagieren sich fortlaufend in konkreten Normungsprojekten, die positiv auf das Thema Klimawandel einzahlen: Sie erarbeiten beispielsweise die internationale ISO 14068 „Greenhouse gas management and related activities – Carbon neutrality“. Die Norm soll Anforderungen und Grundsätze festlegen, die bei Kohlenstoffneutralität durch die Quantifizierung, Reduzierung und den Ausgleich von THG-Emissionen nachzuweisen sind. Zudem soll die Norm Leitlinien für die Beschränkungen und den verantwortungsvollen Gebrauch von „Neutralität“ als klimabezogener Angabe enthalten. Die ISO 14064 dreht sich darüber hinaus konkret um die Treibhausgasbilanzierung und Verifizierung.
Diese Normenreihe dient als Grundlage zur Erfassung und Bilanzierung von Treibhausgasemissionen sowie zur Verifizierung der CO2-Bilanzierung. Sie unterstützt die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in Instrumente, die beim Kampf gegen den Klimawandel helfen. Thematisch ergänzt wird diese Normenreihe durch die ISO 14067, die die Treibhausgasbilanzierung von Produkten fokussiert.
16 - Von der Bilanz zur Anpassung
Ein Arbeitskreis des DIN-Arbeitsausschusses „Klimawandel“ befasst sich zudem mit der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Im Juli 2019 wurde die erste Internationale Norm zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (DIN EN ISO 14090) veröffentlicht. Diese Norm beschreibt bewährte Methoden und Prozesse, Verfahren und Beispiele, mit denen sich Organisationen auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten können. Weitere ergänzende Normen sind beispielsweise die DIN EN ISO 14091, die sich mit den Auswirkungen und der Risikobewertung des Klimawandels beschäftigt. Die technische Spezifikation DIN ISO/TS 14092 bietet für kommunale Regierungen und Gemeinden ergänzende Leitlinien zu notwendigen Anpassungsmaßnahmen.
Mit der Anpassung an die Folgen des Klimawandels beschäftigt sich auch der Arbeitskreis 4 der DIN-Koordinierungsstelle Umweltschutz. Die Koordinierungsstelle wurde bereits 1992 gegründet und unterstützt die Normungsgremien bei der Einbeziehung von Umweltgesichtspunkten in nationale, europäische und internationale Normen. Dementsprechend berät der Arbeitskreis 4 die Normungsgremien bei der Anpassung von Normen an die Folgen des Klimawandels und stellt Hilfsmittel, z.B. zum Umgang mit Klimaprojektionen und Klimadaten, zur Verfügung.
17 - Offene Türen und ein runder Tisch
Wer das 1,5-°C-Ziel ernst nimmt, muss die Normung unterstützen. Alleine kann DIN das nicht stemmen, aber mit einem der größten Netzwerke der Welt wird das möglich: mehr als 36.000 Expert*innen in Deutschland, die in über 15.000 Unternehmen und Organisationen vertreten sind und in mehr als 12.400 Gremien auf nationaler (4.073), europäischer (2.616) und internationaler (5.735) Ebene Produkte, Dienstleistungen und Verfahren standardisieren.
DIN bietet dabei den runden Tisch, an dem alle Beteiligten gemeinsam die Inhalte der Normen und Standards festlegen. Nur: Für eine umfassende Betrachtung und globale Wirkung müssen alle mit ins Boot. Dazu zählen zum Beispiel einzelne Sektoren wie der Finanzsektor, der klimafreundliche Investitionen zukünftig bevorzugt finanzieren soll – aber auch eine breite Beteiligung unterschiedlicher Stakeholder von der Wirtschaft über die Politik bis hin zur Gesellschaft. Bei der eigentlichen Arbeit liegt der Fokus erst einmal auf den Normen, welche am stärksten von klimatischen Änderungen betroffen sind und solche, die die größten Auswirkungen auf unser Klima, auf die Umwelt und damit auf unser Leben haben. Dazu zählen vor allem die Bereiche Mobilität, Landwirtschaft und der Bausektor, auf den allein 36 Prozent der europäischen CO₂-Emissionen entfallen.
Da globale Probleme globale Lösungen erfordern, erfolgt die Arbeit in enger Abstimmung mit anderen Regelsetzern und den europäischen und internationalen Partnerorganisationen bei CEN und ISO sowie über die DKE bei CENELEC und IEC.