Im Wort „E-Mobilität“ schwingt immer auch ein bisschen „Mennekes“ mit: Das Unternehmen hat den Typ-2-Stecker entwickelt, der heute per EU-Gesetz Standard in ganz Europa ist. An seiner Erfolgsgeschichte hat Normung einen wesentlichen Anteil.
Wenn der Strom fürs E-Fahrzeug nicht zuverlässig und sicher dort ankommt, wo er hingehört, ist es mit der klimafreundlicheren Mobilität nicht weit her. Mennekes, familiengeführter Elektrotechnikhersteller aus dem Sauerland, hat einen wesentlichen Anteil daran, dass die Energie in der E-Auto-Batterie landet. Seit 2013 ist der auch als „Mennekes“-Stecker bezeichnete „IEC 62196 Typ 2-Stecker“ nach einem Beschluss des EU-Parlaments europäischer Standard und seitdem im Einsatz. Und das Gegenstück, das sogenannte „Inlet“, entsprechend in den Elektroautos.
Typ-2-Stecker: wie Mennekes den EU-Standard entwickelte
Wie schafft man es als mittelständischer Elektrotechnikhersteller, einen Standard zu setzen, der die europäische Ladeinfrastruktur prägt? Um das nachzuvollziehen, müssen wir einige Jahre in die Vergangenheit blicken: 2008 stieg Mennekes, das heute rund 1.600 Mitarbeiter*innen beschäftigt, ins Geschäftsfeld Elektromobilität ein. Volker Lazzaro, seit 2002 einer der Geschäftsführer sowie Leiter der Business Unit eMobility, arbeitet bereits seit 1984 bei dem Elektrotechnikspezialisten. Er denkt an die Anfänge des Typ-2-Steckers zurück: „Die Fahrzeughersteller hatten festgestellt, dass sie für ihre E-Autos keine geeigneten Stecker haben. Es gab zwar beispielsweise öl- und chemikalienresistente Lösungen, jedoch keine Steckverbindungen, die sich zigtausend mal stecken und ziehen lassen.“ Weil Mennekes bereits seit 1949 robuste Industriesteckvorrichtungen produziert, war die Expertise dafür vorhanden.
Auf Basis von Anforderungen des Stromversorgers RWE und des Automobilherstellers Daimler machten sich Volker Lazzaro und sein Team im Jahr 2009 an die Entwicklung eines geeigneten Ladesystems. Parallel haben sie das Thema in die Normung getragen und den Typ-2-Stecker für die Aufnahme in den Teil 2 der damaligen Anwendungsregel VDE-AR-E 2623 vorgeschlagen. Die VDE-AR-E 2623-2-2 wurde im November 2009 veröffentlicht – heute sind die Inhalte als DIN EN 62196-2 geläufig. Übrigens: 2025 wurde in der EU erstmals die Schwelle von einer Million öffentlichen Ladestationen überschritten (Quelle: International Council on Clean Transportation, ICCT). Ein nicht unerheblicher Teil davon dürfte dank Standardisierung mit Typ-2-Steckern ausgestattet sein.
Volker Lazzaro (li.) ist einer der Geschäftsführer der MENNEKES Gruppe sowie Leiter der Business Unit eMobility. Gemeinsam mit seinem Team und den Kollegen aus der Geschäftsführung treibt er das strategische Business Development für die E-Mobility-Geschäftsbereiche und den bestehenden Bereich Industriesteckvorrichtungen voran.
First Mover dank Normung
Normung und Standardisierung machen sich für Unternehmen aus Industrie und Mittelstand bezahlt – davon ist Volker Lazzaro überzeugt: „Normung schafft Investitionssicherheit, sie trägt dazu bei, dass ein Produkt auch angewandt wird. Und im Idealfall profitiert man von Skaleneffekten, wenn Normen länderübergreifend gelten.“ Bis sich allerdings der Typ-2-Stecker europaweit durchsetzen konnte, galt es, sich mit dem Wettbewerb in der Normung auseinanderzusetzen: „Es gab damals auch einen Vorschlag aus Japan sowie einen, der gemeinsam von Italien und Frankreich eingebracht wurde. Schnell wurde jedoch klar, dass nicht mehrere unterschiedliche Stecksysteme gewünscht werden, sondern eines“, sagt der Geschäftsführer. In der Normung war das rein einphasige japanische System schnell außen vor – denn die deutsche Lösung war sowohl für ein- als auch dreiphasigen Betrieb ausgelegt. Im dreiphasigen Betrieb steht entsprechend mehr Ladeleistung in kürzerer Zeit zur Verfügung.
Typ-2-Ladestecker (EU-Standard)
Der runde Typ-2-Stecker ist asymmetrisch geformt – eine abgeflachte Seite verhindert, dass er falsch eingesteckt wird. Er besitzt sieben Kontaktstifte: fünf für die Energieübertragung und zwei für die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule. Die unterschiedlich langen Kontaktstifte sorgen dafür, dass sich der Schutzkontakt als Erstes und die Signalkontakte zur Leistungsfreigabe erst zum Schluss verbinden. Das ist ein wichtiger Sicherheitsmechanismus.
Erfolgreich ohne Patent: Typ-2-Stecker wird EU-Standard
Eine Herausforderung war die Konsensfindung mit den Vertreterinnen und Vertretern Frankreichs und Italiens. Sie forderten einen erhöhten Berührungsschutz in Form einer Kindersicherung für den Stecker. „Das war an sich unnötig, weil das deutsche System bei ausgestecktem Kabel komplett spannungsfrei ist. Diese zusätzliche Schutzklappe ist im übertragenen Sinne der Hosenträger zum Gürtel“, schmunzelt Volker Lazzaro. Gelöst wurde dies über einen Kompromiss, indem die Entwickler*innen den Typ-2-Stecker so modifiziert hatten, dass die südeuropäischen Länder ihre Schutzklappe ergänzend anbringen konnten. Dies wird dort auch so gehandhabt, während in nahezu allen anderen EU-Ländern die Lösung ohne Schutzklappe verwendet wird. Auf eine Patentierung des entwickelten Steckers hat Mennekes damals bewusst verzichtet – das hätte es erschwert, das System als Standard europaweit durchzusetzen. „Wir waren jedoch über die Normungsarbeit ‚First Mover‘, hatten also einen strategischen Vorteil und konnten so von Beginn an große Marktanteile gewinnen“, betont Lazzaro. Gerne denkt er auch daran zurück, wie alle an einem Strang gezogen haben. „Spannend war es, als deutsches Normungsgremium das System international zu bewerben. Wir sind als eine Community angetreten mit dem Ziel, die Lösung zu standardisieren, und haben unseren Ansatz etwa auch in Asien vorgestellt.“
„Standardisierung ist ein Beschleuniger. Der Typ-2-Stecker ist ein gutes Beispiel dafür, wie Normung den Durchbruch einer technischen Lösung vorantreiben kann.“
Christopher Mennekes, geschäftsführender Gesellschafter
Normung als Erfolgsfaktor: Der Weg zum europäischen Standard
Normung und Standardisierung sind für Mennekes auch nach dem Durchbruch des Typ-2-Ladesteckers relevant. Gut zehn Personen des Unternehmens engagieren sich in der nationalen und internationalen Normung. In Normenausschüssen präsent zu sein, ist Volker Lazzaro äußerst wichtig: „So haben wir die Möglichkeit, direkt mit Automobilherstellern zu diskutieren, eigene Vorschläge einzubringen und nicht zuletzt Zugang zu internationalen Gremien zu erhalten. Grundsätzlich gibt es eine hohe Fachexpertise in den Ausschüssen, das trägt zu praxisnahen Normen bei.“ Demzufolge liegt ihm auch am Herzen, dass die Gremien gut besetzt bleiben: „Wir haben einen riesigen Normungsbedarf rund um Elektromobilität, aktuell vorrangig zu bidirektionalem Laden. Zugleich wird es schwieriger, ausreichend Expertinnen und Experten für die Normungsarbeit zu gewinnen. Hier müssen sich einerseits die Unternehmen stärker engagieren, andererseits ist zu überlegen, ob nicht die Politik die Mitarbeit in der Normung fördern sollte.“
Typ-2-Stecker: Von der Idee zum europäischen Standard
2008
Mennekes entwickelt einen neuen Steckertyp für das Laden von E-Autos
2009
VDE-AR-E 2623-2-2 für ein Steckvorrichtungssystem für das Laden von Elektrofahrzeugen mit Wechselstrom wird veröffentlicht
2011
Aufnahme des Typ-2-Steckers in die internationale Norm IEC 62196-2
2013
Die EU legt den Stecker als europaweiten Standard für das Laden von Elektrofahrzeugen fest
Ab 2015
Das Typ-2-System wird europaweit an öffentlichen Ladepunkten und in E-Autos eingesetzt
Bidirektionales Laden: die nächste Generation
Beim Blick in die Zukunft hält das Geschäftsfeld Elektromobilität für Mennekes weitere Herausforderungen bereit. Etwa bidirektionales Laden, das immer wieder auf der medialen Agenda landet: E-Autos nehmen nicht nur Strom aus dem Netz auf, sondern geben diesen bei Bedarf auch wieder zurück ins Stromnetz oder ins Gebäude. Die Autobatterie dient somit als mobiler Energiespeicher. Regenerative Energien lassen sich so deutlich effizienter nutzen – etwa in Dunkelflauten, wenn es an Sonne und Wind zur nachhaltigen Stromerzeugung mangelt. Die Expertinnen und Experten von Mennekes sind auch bei diesem Thema mit von der Partie und bringen ihr Fachwissen in die Normungsgremien ein.



