Bewegte Zukunft
Ausgabe
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Neun-Euro-Ticket plus Umweltbonus. Autonomes Fahren und Carsharing- Modelle. Mehr Radwege, weniger Parkplätze. Akkuzellen versus Wasserstoff. Steuerbefreiungen und CO2-Abgabe … Unsere Mobilität ist offensichtlich selbst in Bewegung: weg vom Individualverkehr mit PKW und hin zu nachhaltigen Verkehrskonzepten.

Inhaltsverzeichnis

Vor 125 Jahren war die mobile Gesellschaft schon einmal an ihren Grenzen angekommen: Um die Jahrhundertwende waren Pferdefuhrwerke das Transportmittel Nummer eins in den Metropolen der Welt. Allerdings mit verheerenden Konsequenzen: Kutschen verdrängten zunehmend Passant*innen, Pferdebahnen machten sich breit. Fußgänger*innen wurden zum Störfaktor, die Unfallzahlen stiegen. Vor allem aber: Das Problem stank zum Himmel. In Wien zum Beispiel erzeugten um 1900 mehr als 40.000 Pferde Tag für Tag 200.000 Liter Harn plus 400 Tonnen Mist. In New York rechneten Expert*innen vor, dass die Pferdeäpfel bis zum Jahr 1930 den dritten Stock der neu gebauten Wolkenkratzer erreichen würden.

01 - Viele Wege führen in die Zukunft

Der Weg aus der Misere bestand in der Nutzung innovativer Technologien; zum Beispiel in Form des erst wenige Jahre zuvor erfundenen Benz-Patent- Motorwagens Nummer 1. In den Folgejahren setzte sich der Personenkraftwagen mit Verbrennungsmotor durch; Straßen und Infrastruktur wurden nach seinen Anforderungen ausgebaut. Parallel entwickelten sich weitere Transportmittel zu Land, zu Wasser und in der Luft weiter, um die steigende Anzahl an Menschen und Gütern von A nach B zu bringen. Heute hat sich das damals eingeführte System allerdings selbst überholt. Ressourcenverbrauch, Feinstaub und CO2-Ausstoß, Staus und Lärm stehen in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen einer grenzenlosen Mobilität der letzten Jahrzehnte.

Wir befinden uns heute mitten in der nächsten Mobilitätswende – diesmal getrieben von den Konsequenzen des fortschreitenden Klimawandels und der Erkenntnis, dass wir nicht mehr weiterfahren können wie bisher. Dabei geht es nicht nur um neue Motoren und CO2-arme Treibstoffe, sondern vielmehr auch um innovative Mobilitätskonzepte und ressourcenschonende Produktionskreisläufe durch Circular Economy.

02 - Mit neuem Mix voraus

Der motorisierte Individualverkehr stieg in den zwanzig Jahren vor Corona um circa 30 Prozent, sank während der Pandemie dann um rund zehn Prozent (Quelle: Umweltbundesamt). Das Auto ist und bleibt das Verkehrsmittel Nummer eins: Rund 85 Prozent aller gefahrenen Kilometer werden in Deutschland mit Pkws zurückgelegt. Zumindest auf mittlere Sicht werden sie ihre führende Stellung behalten.

SO FÄHRT DEUTSCHLAND:
Der motorisierte Individualverkehr (Pkw und Motorrad) ist nach wie vor das beliebteste Verkehrsmittel, wenn auch mit einer sinkenden Tendenz. 917 Milliarden Kilometer werden so in Deutschland jährlich zurückgelegt.

Quelle: statista

SO FÄHRT DEUTSCHLAND: Der motorisierte Individualverkehr (Pkw und Motorrad) ist nach wie vor das beliebteste Verkehrsmittel, wenn auch mit einer sinkenden Tendenz. 917 Milliarden Kilometer werden so in Deutschland jährlich zurückgelegt.

Quelle: statista

Auf lange Sicht wird sich der Verkehrsmix durch neue individuelle Vorlieben und politische Vorgaben aber ändern: zum Beispiel durch den geplanten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, immer intelligentere Carsharing-Modelle und für die letzte Meile durch innovative Mikrosysteme wie E-Scooter. Auch autonome Taxis könnten in Zukunft ein Baustein im Verkehrsmix sein. Dazu kommen integrierte Logistikkonzepte für Industrie und Handel sowie Transformationsprozesse. Mut macht, dass Verbraucher*innen die Zeichen der Zeit erkannt haben und die Politik inzwischen regulierend eingreift.

AUF LANGE SICHT WIRD SICH DER VERKEHRSMIX DURCH INDIVIDUELLE VORLIEBEN UND POLITISCHE VORGABEN ÄNDERN.

03 - Politik zieht, Kund*innen schieben

Das Bewusstsein um die Notwendigkeit umgreifender Transformationen ist auch in der Automobilindustrie angekommen – allerdings mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die jeweiligen Unternehmensstrategien: Diese reichen von hybriden Ansätzen bis hin zu konsequent elektrifizierten Portfolios. Die Motivation dafür stammt aus verschiedenen Quellen, wie dem wachsenden Umweltbewusstsein von Autokäufer* innen oder den zunehmend stringenteren Vorgaben der Politik.

04 - Gemeinsam mobil

Das Verkehrsministerium, in Person des Bundesministers für Digitales und Verkehr Dr. Volker Wissing, hat den „Expertenbeirat Klimaschutz in der Mobilität“ (EKM) ins Leben gerufen, der „Impulse für den Klimaschutz in der Mobilität“ geben soll.
Der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gegründete Expertenkreis „Transformation der Automobilwirtschaft“ (ETA) gibt Geschwindigkeit und Richtung vor: „Dekarbonisierung, Digitalisierung und Stärkung der Liefernetzwerke sind Herausforderungen und zugleich auch Chancen für die Automobilwirtschaft in Deutschland. Für 2030 haben wir uns das Ziel von 15 Millionen vollelektrischen Pkws auf der Straße gesetzt. Die Fahrzeuge der Zukunft kommen nicht nur ohne fossile Kraftstoffe aus, sie sind vernetzt und automatisiert unterwegs. Außerdem müssen die Wertschöpfungsketten nachhaltiger und robuster werden. Wichtig dafür ist auch eine eigenständige und leistungsfähige Produktion für zentrale Bestandteile der Autos in Deutschland und Europa – vorneweg für Chips und Batterien“, so Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und einer der Sprecher
des Expertenkreises.

Was Mobilitätskonzepte jetzt und in Zukunft vorsehen, welche Angebote es geben wird und wie sie sich am Ende durchsetzen, hängt aber auch von den Bürger*innen ab, die sich von A nach B bewegen, und der Frage, wie sie dies tun (möchten). In Innenstädten gibt es zunehmend mehr Radwege, Parkplätze weichen dem öffentlichen Verkehr. Schon jetzt zeigt sich für viele: Teilen und erleben ist besser als haben – die Shared Mobility boomt. Zugleich hält die Digitalisierung weiter Einzug und macht Fortbewegung und Verkehrsmittel zum Erlebnis.

Die Straßen von San Francisco

Kalifornien hat sich zum Eldorado für autonomes Fahren entwickelt. Dieser Staat koppelt die Fahrerlaubnis für Roboterautos mit der Auflage, die jährlichen Fahrleistungen und eventuelle Zwischenfälle zu veröffentlichen. Demnach sind rund um die Golden Gate Bridge inzwischen mehr als 700 autonome Fahrzeuge unterwegs. Die Poleposition nimmt mit 3,7 Millionen absolvierten Kilometern das Google-Tochterunternehmen Waymo ein. Mit deutlichem Abstand folgt die General-Motors-Tochter Cruise mit 1,4 Millionen Kilometern. Zum Vergleich: Der einzige deutsche Hersteller ist mit insgesamt 94.000 Kilometern Mercedes-Benz.

Je nach Einsatzort mussten die menschlichen Passiv-Fahrer*innen im Durchschnitt alle 13.000 Kilometer eingreifen (Innenstadt), auf dem flachen Land nur alle 80.000 Kilometer. Immerhin sind die Systeme laut Behördenmeinung inzwischen so sicher, dass Cruise in San Francisco und Pony.ai in Peking kommerzielle fahrerlose Taxi-Services anbieten. Fahrgäste berichten von zwar surreal anmutenden, aber insgesamt geschmeidig ablaufenden Fahrerlebnissen.

270 Milliarden Euro soll das weltweite Marktvolumen von Fahrerassistenzsystemen im Jahr 2030 betragen.

1.138 Patente hat Bosch zum autonomen Fahren zwischen 2010 und 2017 angemeldet. 503 Patente hat Google Waymo im gleichen Zeitraum angemeldet.

05 - Daten sind die Räder der Zukunft

Daten sind inzwischen integraler Bestandteil unserer Mobilität. Das beginnt bei der dynamischen Routenplanung und führt über Einpark-, Spur- und Stauassistenten bis hin zum digitalen Flottenmanagement der privaten und öffentlichen Mobilitätslogistiker.
Ein moderner Pkw besitzt heute 250-mal mehr Programmcode als das erste Spaceshuttle. Einmal unterwegs, erzeugen moderne Mittelklassefahrzeuge pro Stunde etwa 25 Gigabyte Datenmaterial: Derzeit sind das vor allem Kilometerstand, Geschwindigkeit, Standort und Drehzahl, ggf. der Ladezustand von Batterien, die verfügbare Reichweite sowie das Fahr- und Bremsverhalten.
Die rollende Datenmenge wird zukünftig deutlich zunehmen: zum Beispiel durch autonome, miteinander kommunizierende Fahrzeuge. Diese entlasten nicht nur die Fahrer*innen, sie werden auch helfen, Unfälle zu vermeiden – denn jedes Fahrzeug weiß dann genau, wo die nächsten fahren oder stehen.

BATTERIEFAHRZEUGE SIND ZWAR IM BETRIEB UMWELTFREUNDLICH, WENIGER ABER IN IHRER HERSTELLUNG.

06 - Back home: Glokalisierung

Die Digitalisierung wird aber nicht nur das Verhalten von Fahrer*innen durchschaubar machen, sondern auch die Wertschöpfungsketten der Automobilbauer. Dafür tritt ab 2023 das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft. Es schreibt nicht nur die Transparenz über den gesamten Workflow sowie die Einhaltung von Menschenrechten in den Herkunftsländern vor, sondern formuliert auch konkrete Forderungen an die Nachhaltigkeit. Diese Forderungen sind mit den klassischen linearen und globalisierten Wertschöpfungsketten nicht mehr einzulösen. In der Konsequenz führt das zu tendenziell regionalen und zirkulären Ökosystemen. Sichtbar wird das beispielsweise bei der Entwicklung neuer Fahrzeugmodelle wie dem BMW i3, bei dem seinerzeit die Circular Economy bereits ein Hauptkriterium bei der Planung war, oder auch bei der Batteriezellenproduktion, die alle großen deutschen Hersteller gerade pilotieren, die teilweise gleich ganze Recyclingfabriken mitplanen: BMW unter anderem in Leipzig, Mercedes im sächsischen Kamenz, VW in Salzgitter, Porsche in Tübingen. Darüber hinaus macht der von der EU geplante CO2-Grenzausgleich für Importe auch die Stahlfertigung in Europa wieder wettbewerbsfähig.

 

 

DIE EU FÄHRT 2035 ELEKTRISCH:
Der Verbrenner ist nach Expert*innen-Prognosen in der EU eindeutig auf dem Rückzug. Bereits im Jahr 2030 fahren nur noch 55 Prozent mit den klassischen Kraftstoffen. 2020 waren es noch 93 Prozent. Verdrängt wird der Verbrenner vom Elektroauto, das bereits 2025 einen Anteil von 17 Prozent auf den europäischen Straßen haben soll. 

* Gerundet, Verteilung der Antriebstechnologien 2035 in Deutschland, Quelle PwC Strategy „Digital Auto Report 2020“.

Planen auch Sie demnächst auf Elektromobilität umzusteigen?

07 - Der Kreis ist stärker als die Gerade

Batteriefahrzeuge sind zwar im Betrieb umweltfreundlich, weniger aber in ihrer Herstellung: Die Akku-Fertigung erzeugt doppelt so viele Emissionen wie die Herstellung eines vergleichbaren Verbrennungsmotors. Ein rasch wachsendes Problem, weil sich die weltweite Nachfrage nach Stromspeichern bis 2030 mehr als verzehnfachen wird – und damit auch der Ressourcenverbrauch strategischer Metalle wie Lithium, Mangan, Nickel, Kobalt und Kupfer. Diese werden deshalb bereits heute zum Teil zurückgewonnen. VW beispielsweise testet in einer Pilotanlage das Recycling der Batterien von E-Fahrzeugen. Die alten Zellen werden dort zu Granulat zerrieben, die einzelnen Metalle sortenrein extrahiert. Aus einem 400-Kilo-Akku lassen sich auf diese Weise acht Kilo Lithium, 22 Kilo Kupfer und 126 Kilo Aluminium wiedergewinnen. Allerdings gibt es zurzeit noch nicht genügend ausgemusterte Akkus, damit sich industrialisiertes Recycling auch finanziell lohnt. Das wird sich aber mit einer steigenden Anzahl von E-Autos schnell ändern.

CIRCULAR ECONOMY ENTKOPPELT DAS WIRTSCHAFTSWACHSTUM VOM RESSOURCENVERBRAUCH UND STELLT DIE EINHALTUNG DER PLANETAREN GRENZEN UND NACHHALTIGKEITSZIELE SICHER.

08 - Trennen und wiederverwenden

Circular Economy bedeutet mehr als Recycling, sie muss bereits beim Produktdesign mitgedacht werden – damit später ganze Baugruppen, Komponenten und Rohstoffe problemlos voneinander getrennt und sortenrein wiederverwendet werden können. Zirkuläre Ansätze können laut Ernst & Young bei konsequenter Umsetzung bis zu 60 Prozent zur europaweit geplanten Dekarbonisierung beitragen. Erste Pilotprojekte gehen mit gutem Beispiel voran: So verarbeitet Renault in seiner Re-Factory am Standort Flins jährlich bereits 45.000 Altfahrzeuge, ab 2023 soll sich die Anzahl verdoppeln. Neben dem Recycling hochwertiger Bauteile sollen die Autos vor allem wiederaufbereitet bzw. auf Elektroantrieb umgestellt werden.

Damit zeigen sich die vielen Dimensionen der Circular Economy: Dieser Ansatz entkoppelt das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch und stellt die Einhaltung der planetaren Grenzen und der Nachhaltigkeitsziele sicher und trägt so zur Steigerung der Lebensqualität und Sicherung eines gerechten Wohlstands bei. Anstelle von „take – make – waste“ treten dann neue Design-, Reuse-, Refurbish- und Recyclingprozesse. Damit schafft die Circular Economy neue Geschäftsmodelle für Zulieferer, Hersteller und Verwerter: So würde beispielsweise eine Batterie nach einer bestimmten Anzahl von Ladevorgängen oder Kilometern automatisch an den Hersteller zurückgehen.

09 - Der digitale Produktpass

Circular Economy basiert auf der Rückverfolgbarkeit der einzelnen Baugruppen, Komponenten und Materialien wie auch des fertigen Produkts entlang der gesamten Lieferkette und im besten Fall auch während der Nutzungsphase bis hin zum Recycling. Damit Produkte und Materialien im Kreis geführt werden können, müssen Daten effektiv erzeugt, gesammelt, verarbeitet und wieder zur Verfügung gestellt werden.

Automobile Kreislaufwirtschaft.
Quelle: Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA)

Automobile Kreislaufwirtschaft

Fahrzeuge ressourcenschonend herstellen, lange nutzen, reparieren, recyclen, wiederverwenden – die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft sind in der Automobilindustrie verankert.

1. Rohstoffe. Rahmenbedingungen für Sekundärmaterialien und Rezyklate verbessern.
2. Design for Sustainability. Unter anderem unterstützt durch Lebenszyklusanalysen, als Leitgedanke einer automobilen Kreislaufwirtschaft.
3. Herstellung. Optimierte materialeffiziente Produktionsprozesse und interne Kreislaufführung in der Herstellungsphase fest verankert.
4. Vertrieb. Transparente Produktinformationen für die Verbraucher bereits vorhanden.
5. Verwendung, Wartung & Reparatur. Reparaturfähigkeit gegeben, Markt für Ersatzteile aus Altfahrzeugen in der EU fördern.

6. Sammlung. Wahlfreiheit bei der erweiterten Herstellerverantwortung sicherstellen, marktwirtschaftliche Finanzierungsmodelle für einen möglichen negativen Marktwert eines Altfahrzeuges ermöglichen, illegaler Altfahrzeugentsorgung entgegenwirken, Verwertungsnachweis stärken, umweltgerechten Export von Gebrauchtfahrzeugen sicherstellen
7. Recycling & Wiederverwendung. Vorhandene Demontageinformation IDIS nutzen, Post-Schredder-Technologie als „beste verfügbare Technologie“ flächendeckend einsetzen.

Quelle: Verband der Automobilindustrie
e. V. (VDA)

Hier kommt die Idee des digitalen Produktpasses ins Spiel. Er soll in Zukunft alle Produktinformationen bündeln. Für die Zirkularität will die EU ihn bis 2030 verbindlich vorschreiben. Der Pass soll Produzenten, Anwendenden und Recyclern den standardisierten Datenaustausch während des kompletten Produktlebenszyklus ermöglichen. Die Überlegungen über mögliche Inhalte betreffen die Förderbedingungen im Rohstoffland, Informationen über Zwischenstationen inklusive der Logistik- und Fertigungsprozesse, Zertifikate und Nachweise der Konformität bei Inverkehrbringen, Bedienungsanleitungen in der jeweiligen Landessprache, Reparaturmöglichkeiten sowie Informationen für die Recyclingunternehmen, welche Materialien wie verarbeitet und womit kombiniert im jeweiligen Produkt stecken. Der digitale Produktpass kann damit zur Grundlage für nachhaltige Konsumentscheidungen wie auch für eine umweltfreundliche Circular Economy werden. Für jedes Produkt entstehen wachsende Datensätze, die um immer neue Informationen ergänzt werden. Damit der Datenaustausch über einen solchen digitalen Produktpass reibungslos funktioniert, eine klare Kommunikation zwischen den Marktakteuren im Kreislauf sichergestellt ist, aber auch nur die jeweils adressierten Marktteilnehmer Zugang zu den für sie vorgesehenen Daten erhalten, braucht es Normen und Standards. Sie sind die Basis für Struktur, Inhalt und Sicherheit digitaler Produktpässe sowie zum Vereinheitlichen von Terminologien und Schnittstellen, die alle Marktteilnehmer verstehen und nutzen können.

10 - Plattformen sammeln und analysieren

Wie viel CO2 entweicht bei der Fertigung eines spezifischen Fahrzeugtyps? In welchen Chargen sind fehlerhafte Airbags verbaut? Und wie lässt sich der in die Jahre gekommene Akku eines E-Mobils am besten recyceln? Antworten auf diese Fragen erfordern firmenübergreifende Datenplattformen: Beispielsweise verfolgt das Projekt Catena-X das Ziel, ein erstes durchgängiges und kollaboratives Datenökosystem für die Automobilindustrie aufzubauen. Eine derartige Cloud-Lösung bildet die Grundlage für eine klimafreundliche und nachhaltige Wertschöpfungskette vom Rohstofflieferanten über mittelständische Zulieferer bis hin zu den globalen OEMs. Catena-X plant, bereits Ende 2022 mit ersten konkreten Services an den Start zu gehen.

Aber auch der Erfolg und die internationale Akzeptanz einer gemeinsamen Datenplattform hängen, wie bereits beim digitalen Produktpass erläutert, in einem hohen Maße von der Einigung auf gemeinsame Datenstrukturen und -schnittstellen und somit auch von Standards und Normen ab.

Normen machen mobil.

11 - Normen nehmen Fahrt auf

Nicht nur beim digitalen Produktpass oder den dafür bereitgestellten Cloud-Plattformen helfen Normen und Standards die Mobilität von morgen zu begleiten. Um die notwendige Normung in der Elektromobilität zu unterstützen, wurde das Forschungsprojekt ELSTA auf den Weg gebracht – ein gemeinsames Projekt von DIN, DKE/VDE und NAAuto (VDA), wobei DIN als Konsortialführer agiert. Das Ziel von ELSTA: durch koordinierende Tätigkeiten proaktiv Normung und Standardisierung unterstützen, um Deutschland als Leitmarkt der Elektromobilität zu etablieren. So wird ELSTA z.B. das im April vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimapolitik ins Leben gerufene Projekt „Battery Passport“ begleiten und in Normungsfragen unterstützen. Akkus machen ungefähr 40 Prozent der Wertschöpfung eines Elektromobils aus. Sie beeinflussen damit wesentlich die Nachhaltigkeit und die Arbeitsstandards der Automobilindustrie. Der Pass informiert ausführlich darüber, welche Batterien eingebaut sind, wo und wie sie hergestellt wurden und wie nachhaltig sie sind. Das Projekt ist damit eine erste konkrete und sicherlich richtungsweisende Umsetzung eines digitalen Produktpasses.

Da Mobilitätslösungen auch nicht nur national gedacht werden müssen – zum Beispiel in puncto Ladestecker –, arbeiten DIN und DKE mit dem europäischen Komitee für Normung CEN und CENELEC sowie mit den internationalen Normungsorganisationen ISO und IEC zusammen.

Normen machen mobil

DIN EN ISO 15118
Diese Norm beschreibt die Kommunikationsschnittstelle zwischen Elektrofahrzeugen und Ladestation. Sie erleichtert damit den Ausbau der Ladeinfrastruktur durch eine standardisierte Informationsübertragung zwischen E-Auto, Ladestation und Stromnetz. Gleichzeitig unterstützt sie Effizienz und Cybersicherheit.

DIN SPEC 91433
Dieser Leitfaden informiert über den kompletten Prozess des Aufbaus von Ladeinfrastruktur von der Planung über die technische Auslegung bis zum Anschluss des Ladepunkts an das örtliche Stromnetz. Das unterstützt vor allem Kommunen und Unternehmen beim Aufbau neuer Ladepunkte.

ISO 26262
Diese Norm bietet einen definierten Rahmen für die funktionale Sicherheit. Sie sorgt damit dafür, dass niemand ernsthaft durch Fehlfunktionen des Fahrzeugs oder der verbauten Systeme gefährdet werden kann.

DIN SPEC 91412
Diese Richtschnur verbessert über eine einheitliche Terminologie und Grafiken bei der E-Mobility das teilweise branchenspezifisch unterschiedliche Verständnis zu bestimmten Themen.

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