Wer mit Behörden zu tun hat, braucht mitunter starke Nerven: Formulare, Durchschläge, Anträge… und vieles davon ist persönlich vor Ort und in Papierform einzureichen. So die landläufige Meinung. Was ist also mit der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung? Die macht tatsächlich Fortschritte – auch dank des DigitalService des Bundes aus Berlin. Grund genug, da mal genauer hinzusehen.
Die Grundsteuererklärung online einreichen, ein Gewerbe anmelden, den neuen Wohnort melden oder auf dem Familienportal des Bundes das Elterngeld berechnen: Bereits heute können Bürger*innen und Unternehmen viele Behördengänge online erledigen und Zeit sparen. Denn Bund, Länder und Kommunen arbeiten kontinuierlich daran, Onlineservices zu entwickeln und zu verbessern. Klingt einfach – ist es aber nicht. Den einen Ort, an dem alle Verwaltungsdaten zusammenlaufen, gibt es nicht und soll es auch nach wie vor nicht geben.
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) als Treiber
Trotzdem sollen Städte, Gemeinden, Landkreise und Bund durchweg alle ihre Verwaltungsleistungen online anbieten, und zwar vernetzt von Bebenhausen bis Berlin und später Brüssel – so sagt es das Onlinezugangsgesetz (OZG). Die Übersetzung dieses politischen Willens in gute Softwareprodukte für Bürger*innen ist komplex: Verteilte Zuständigkeiten über Bund, Länder und Kommunen sind von Vorteil, wenn beispielsweise lokale Besonderheiten berücksichtigt werden müssen – für das Bereitstellen digitaler Services können sie aber zum Verhängnis werden. Hier ist nicht nur technisches Know-how, sondern auch strategisches Geschick und Koordinierungskompetenz gefragt: Gut, dass es Profis wie den DigitalService des Bundes gibt.
Wer ist der DigitalService des Bundes?
Der DigitalService ist Partner der Bundesverwaltung, der sowohl mit Tech-Expertise die Anforderungen moderner Digitalisierung als auch ihre Strukturen versteht. Mit umfassendem Know-how aus der Tech-Branche entwickelt der DigitalService benutzerfreundliche digitale Lösungen und unterstützt die Bundesverwaltung dabei, nachhaltig eine agile, iterative und nutzerzentrierte Arbeitsweise zu etablieren. Das bundeseigene Unternehmen mit Sitz in Berlin vereint in seiner DNA leidenschaftlich best of both worlds: Verwaltungskompetenz und Tech-Know-how. „Ich sehe großes Potenzial darin, wenn Digitaltalente und die Verwaltung zusammenkommen und voneinander lernen“, sagt Christina Lang, CEO des DigitalService.
Von 4Germany zur DigitalService GmbH: ein Start-up im Staatsauftrag
Lang gründete 2019 das Start-up 4Germany mit Förder- und Austauschprogrammen für talentierte Fachleute aus der Digitalbranche, die für ein halbes Jahr in Bundesministerien arbeiten wollen. Die agile Initiative ließ aufhorchen – und zwar im Bundeskanzleramt. Von dort kam der Vorstoß, 4Germany zu einer staatlichen GmbH auszugründen. Ein ungewöhnlicher strategischer Zug und eine zukunftsweisende Entscheidung von Kanzleramt und Firmengründer*innen: Die im Jahr 2020 aus der Taufe gehobene DigitalService GmbH des Bundes ist rasch zu einer zentralen Säule der digitalen Transformation in der Bundesverwaltung herangewachsen. Sie ist Digitalisierungspartner, Produktentwickler und Kompetenzzentrum.

Start-up-Vibe im DigitalService: motivierte Teams, agiles Arbeiten, digitales Know-how.

Gemeinwohl im Fokus: Digitaltalente für die Verwaltung
„Wir wirken stets im Interesse des Gemeinwohls, also im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Und wir bringen das richtige digitale Know-how mit. Viele unserer rund 200 Mitarbeitenden haben vorher in der Digitalbranche und in Tech-Unternehmen gearbeitet“, fasst Christina Lang die beiden Welten zusammen. Und auch nach gut vier Jahren seit Gründung der GmbH herrscht noch der Vibe eines Start-ups: „Wir sind ein interner Partner der Bundesverwaltung, aber mit mehr Gestaltungsfreiheit und ohne die starren Strukturen, die man aus dem öffentlichen Dienst oft kennt. Beim DigitalService arbeiten wir in interdisziplinären Teams, gestalten ressortübergreifende Kooperationen und wenden agile, iterative Methoden bei der Entwicklung von digitalen Diensten und Produkten an.“
Diesen zeitgemäßen Werkzeugkasten nutzte der DigitalService schon bei vielen Digitalisierungsprojekten des Bundes. Gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz wurde der Online-Dienst zu Fluggastrechten gelauncht, ebenso die digitale Antragstellung für Prozesskostenhilfe. Auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat dem DigitalService schon Projekte wie die Online-Grundsteuererklärung übertragen. Die Beispiele zeigen: Digital funktioniert. Wie also kann die Herkulesaufgabe der Verwaltungsdigitalisierung gemeistert werden?
Standards als Hebel für Qualität
„Die Verwaltungen brauchen auf allen Ebenen verbindliche Qualitätsanforderungen für Onlineservices“, sagt Martin Jordan, Head of Design & User Research des DigitalService. „Standards liefern genau das und sind ein wichtiger Hebel für die Transformation in der Verwaltung. Sie verbessern nicht nur die Entwicklung einzelner Projekte und Tools, sondern schaffen eine nachhaltige Grundlage für mehr Qualität und zukunftsfähige Arbeitsweisen.“ Jordan weiß, wovon er spricht: Er hat in führender Funktion bereits im Vereinigten Königreich (UK) an der Weiterentwicklung des dortigen Servicestandards und des GOV.UK-Service-Handbuchs mitgearbeitet.
Seit Sommer 2024 entwickelt der DigitalService gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern und für Heimat den deutschen Servicestandard weiter, der bereits seit 2020 Qualitätsprinzipien für die Verwaltungsdigitalisierung definiert. Diese Prinzipien waren aber bisher zu wenig bekannt und wurden nur selten angewendet.
„Progress comes in waves.“
MARTIN JORDAN, HEAD OF DESIGN & USER RESEARCH BEIM DIGITALSERVICE
Was muss der neue Servicestandard aus Sicht der Anwender*innen und Entscheider*innen können?
Der DigitalService fragte gemeinsam mit dem BMI nach: Interviews mit Nutzenden, Fachleuten und Akteuren aus Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft lieferten viele Erkenntnisse. Die Entwicklung wurde durch ein verwaltungsübergreifendes Soundingboard mit Vertreter*innen von BMI, NKR, FITKO, ITZBund, NExT e. V., Dataport, KGSt und DigitalService begleitet. Um den Servicestandard auch überprüfbar zu machen, hat das BMI gemeinsam mit dem DigitalService und dem Deutschen Institut für Normung (DIN) einen Standardisierungsprozess angestoßen.
„Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern existenziell für einen leistungsfähigen Staat, den die Bürgerinnen und Bürger zu Recht erwarten.“
CHRISTINA LANG, MANAGING DIRECTOR UND CHIEF EXECUTIVE OFFICER (CEO) BEIM DIGITALSERVICE

Christina Lang
ist Gründerin und CEO des DigitalService. Als interner Digitalisierungspartner des Bundes entwickelt und betreibt der DigitalService gemeinsam mit der Verwaltung nutzerfreundliche digitale Lösungen. Darüber hinaus fördert der DigitalService mit Veränderungsprojekten die digitale Transformation der Verwaltung. Vor der Gründung des DigitalService im Jahr 2020 war Christina Lang im Auswärtigen Amt im Stab Digitalisierung tätig und arbeitete als Strategieberaterin bei McKinsey & Company. Sie ist Juristin und hat einen Master in Management von der London Business School.
Die DIN SPEC 66336: ein strukturierter Rahmen
Gemeinsam mit dem BMI und einem breiten Konsortium aus Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft entwickelt der DigitalService beim Deutschen Institut für Normung (DIN) die DIN SPEC 66336, die im März 2025 veröffentlicht wurde. Die Spezifikation konkretisiert in 13 Kapiteln die Qualitätskriterien des Servicestandards mit Muss-, Sollte- und Kann-Vorgaben. Das erleichtert die Entwicklung und den Betrieb von IT-Dienstleistungen. Mitarbeitende der Verwaltung erhalten klare Anforderungen und einen strukturierten Rahmen für Digitalisierungsprojekte, IT-Dienstleister bekommen praxisorientierte Hinweise, um digitale Dienste und Portale effizienter und schneller zu entwickeln und Prüfende haben eine verlässliche Grundlage für die Überprüfung und Qualitätssicherung digitaler Verwaltungsleistungen. Alles ist gründlich und praxisnah durchdacht und steht geschrieben – man muss es nur anwenden. Deshalb wird es im nächsten Schritt darum gehen, dass Mitarbeitende der Verwaltung den Servicestandard und die DIN SPEC kennenlernen und befähigt werden, ihn effektiv zu nutzen.
Verwaltung der Zukunft: Einfach. Digital. Verständlich.
So wird Verwaltung vom Rathaus bis zum Bundesministerium ganz digital. Bürger*innen und Unternehmen können Anträge und Formulare einfach per Mausklick einreichen, während die Verwaltung durch durchgehende digitale Prozesse entlastet wird. Ein wichtiger Schritt also, dem Geschäftsführerin Christina Lang noch eine weitere Note hinzufügt: „Die Weiterentwicklung des Servicestandards und die gemeinsam entwickelte DIN SPEC 66336 sind ein wunderbares Beispiel dafür, wie sinnstiftend die Arbeit in der Verwaltung ist: Wir gestalten die Zukunft unseres Staates und schaffen spürbaren Mehrwert für die Menschen.“ Und in naher Zukunft gehören papierne Durchschläge der Vergangenheit an.

Martin Jordan
arbeitet seit Mai 2022 als Head of Design & User Research beim DigitalService. Zuvor war er für über sechs Jahre als Head of Service Design im Cabinet Office in London tätig. Dort trieb er beim Government Digital Service die digitale Transformation der britischen Verwaltung und ihrer Verwaltungsdienstleistungen voran. Auch verantwortete er den britischen Servicestandard und das GOV.UK Service Manual. Neben seiner Arbeit beim DigitalService ist er u. a. Mitglied des Digitalrats in Sachsen-Anhalt.