Inhaltsverzeichnis
01 - Der Kreis ist stärker als die Gerade
Linearwirtschaft kennt nur Einweg – vom Rohstoff über das Produkt bis zum Abfall. Circular Economy kommt im Idealfall ohne Ressourcenverbrauch aus. Eine Utopie, die besser zur Realität wird.
Sie hinterlassen Spuren. Unübersehbare Spuren. Sie kaufen jedes Jahr 37 Kilo Plastik, benutzen 24 Plastiktüten und nuckeln täglich an einem Plastikstrohhalm. Sie telefonieren mit einem Smartphone und lagern zwei alte in einer Schublade. Sie besitzen rund hundert Kleidungsstücke, von denen Sie die Hälfte nur ein- bis zweimal im Jahr tragen. Sie verbrauchen jede Woche einen Coffee to go-Becher und jeden Monat zwei Einwegrasierer. Und nicht zuletzt haben Sie 2019 ganze 455 kg Rohstoffe in den Mülleimer geworfen – also zumindest, wenn Sie Mustermann heißen.
02 - Die Erde ist eine Scheibe
Die Circular Economy will ohne kontinuierlichen Verbrauch von Rohstoffen auskommen.
Ein handelsübliches T-Shirt
ist 150 Gramm schwer und
besteht aus Baumwolle.
Ein T-Shirt wird heute
nur noch halb so lange
getragen wie vor 15 Jahren.
Ungefähr ein Jahr brauchen
Bakterienkulturen, um aus
Baumwolle Humus zu machen.
Zerbissen, gefressen,
ausgeschieden:
bereit für den Aufbau
einer neuen Pflanze
Die einzelnen Fasern der
Baumwollpflanze sind
schon nach 25 Tagen reif.
6.300 Liter Wasser und über
drei Kilogramm Treibhausgas
verursacht ein T-Shirt in der
Linearwirtschaft
Darstellung in Anlehnung an Cradle to Cradle NGO
Mist ist Gold
03 - Entwarnung?
Aufgeschoben ist nicht überlebt
Mitnichten. Robert Malthus und alle folgenden Untergangspropheten lagen nur deshalb falsch, weil sie die menschliche Einsicht und die Erfindungsgabe im Zuge überfälliger Wandelprozesse unterschätzt haben. Im Fall der altenglischen Landwirtschaft war es Guano-Dünger, der die Erträge schlagartig verbesserte. Und was der Club of Rome nicht auf dem Computerschirm hatte: Werden Rohstoffe knapp, lohnen alternative Abbauverfahren und -orte, was die Ressourcen automatisch wieder erhöht. Deshalb sollten wir nicht einzelnen Kassandra-Rufern folgen – sie aber in Summe ernst nehmen. Denn ihre Zahlen weisen alle in eine Richtung: Wir stehen in jedem Fall vor neuen Herausforderungen, die einmal mehr grundlegende Wandel-Strategien erfordern. Aktuell bedroht uns nicht Ressourcenknappheit, sondern vielmehr die Folgen der zunehmenden Verarbeitung von Rohstoffen, die sich auf Klima, Umwelt und Gesundheit aller Lebewesen auswirken.
Glossar
Ökologie
Lehre von der Wechselbeziehung zwischen lebenden Organismen und ihrer Umgebung.
Zirkuläre Wirtschaft, bzw. Circular Economy
Circular Economy ist ein systematischer Ansatz zur wirtschaftlichen Entwicklung, der Unternehmen, der Gesellschaft und der Umwelt zugutekommt. Im Gegensatz zum linearen Modell „take-make-waste“ ist Circular Economy von Ansatz her regenerativ und zielt darauf ab, das Wachstum schrittweise vom Verbrauch endlicher Ressourcen zu entkoppeln.
Recycling
Aufbereitung von Abfall, um diesen für den ursprünglichen Zweck wiederherzustellen oder für andere Zwecke mit Ausnahme der Energierückgewinnung.
Nachhaltigkeit
Zustand, in dem Teile des Ökosystems und ihre Funktionen für die heutigen und zukünftigen Generationen erhalten bleiben.
04 - Es geht nicht ohne Sie
Ändert sich das weltweite Verbraucherverhalten nicht, wird 2050 mehr Plastik in den Meeren schwimmen als Fische – prognostiziert der Bericht „The New Plastics Economy“ der Ellen MacArthur Foundation. Die globale Recyclingquote für Kunststoffe pendelt in den letzten Jahren zwischen 15 und 18 Prozent, in Deutschland finden nur sechs Prozent Recyclat den Weg in die Spritzgussmaschinen. Bei den heutigen Ölpreisen ist es günstiger und vor allem unproblematischer, neues Rohmaterial aus Petroleum zu gewinnen.
Und doch gibt es drei Treiber, die eine Umkehr vorbereiten: Erstens erfreuen sich nachhaltige Geschäftsmodelle steigender Beliebtheit. Mit höheren Umsätzen interessieren sich zunehmend auch industrielle Anbieter für ökologische Konzepte. Eigentlich Widersprüche in sich: Internationale Supermarktketten verkaufen regionale Produkte und Automarken denken über Mobilitätskonzepte jenseits von Privatfahrzeugen nach. Die zunehmende Digitalisierung unterstützt sie dabei und überwindet Unternehmens- und Landesgrenzen. Zweitens macht die Politik ordentlich Druck. Europa beispielsweise soll bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden – vor allem auf Basis einer Energiewende und immer strengeren Vorgaben für Verkehr und Logistik. Und drittens ist das Bewusstsein bei vielen Konsumenten inzwischen reif für den Wechsel von der linearen Wirtschaft zum zirkulären Modell. Aber wie funktioniert diese?
Früher fast eine Anschaffung
fürs Leben - die Waschmaschine.
8% aller Haushaltsgroßgeräte
fallen wegen eines Defekts
innerhalb von fünf Jahren aus.
Seit 2016 müssen stationäre und
Online-Händler beim Neukauf
Elektroaltgeräte zurücknehmen.
Möglichst in alle Einzelteile
wird die Maschine zerlegt.
Im Schnitt besteht eine Maschine
aus Stahl, Glas, Kunststoff, Edel-
metallen und bis zu 50 kg Beton
für einen festen Stand.
Europaweit kommen die
meisten Maschinen aus Polen,
Weltmarktführer ist China.
Ein Kreis besteht aus vielen Punkten
Richtig kaufen
Gemeinsam kaufen
Share Economy ist ein Schritt in Richtung Circular Economy. Eine Bohrmaschine wird im Durchschnitt nur 13 Minuten genutzt, bevor sie in den Müll wandert. Teilen sich vier Nachbarn eine, steigt die Einsatzzeit immerhin auf fast eine Stunde. In der Schweiz gibt es gerade auch in neugebauten Mehrfamilienhäusern wieder Gemeinschaftswaschküchen, in der sich mehrere Parteien Maschinen und Leinen teilen.
Nutzen statt besitzen
Maschinen, Fahrzeuge, Autos – das geht auch „as a Service“. Was sich im Softwarebereich bereits durchgesetzt hat, lässt sich auch auf Dinge und Dienstleistungen übertragen. Der Vorteil: Der Hersteller ist für den umweltfreundlichen Betrieb und Modellpflege zuständig. Der Nutzer zahlt nur für die Leistung, die er tatsächlich in Anspruch nimmt, z. B. Waschleistung anstelle einer Waschmaschine.
Länger benutzen
Reparieren statt kaufen
05 - Verbraucher haben die Macht, Unternehmen die Möglichkeiten
Der Konsument entscheidet letzlich über den Erfolg der Circular Economy.
Was Unternehmer unternehmen können
Noch funktionieren Kreislaufsysteme aktuell bestenfalls als Insellösungen oder Vorzeigeprojekte
06 - Politik und Planet B
Alle Beteiligten müssen den Markt auf Basis einheitlicher Standards und Vorgaben regeln.
Der Übergang zur Circular Economy kostet Zeit, Geld und Geduld. Damit die neuen Geschäftsmodelle funktionieren, müssen zuerst einmal entsprechende Logistikstrukturen aufgebaut werden – zum Beispiel, um alte Geräte abholen und ersetzen zu können. Dazu kommt das Marketing für die Bekanntmachung der angebotenen Produkte und Services. Und nicht zuletzt muss sich der Verbraucher auf die neuen Kreisläufe einlassen – mithin seine Gewohnheiten und Prioritäten ändern. Circular Economy braucht deshalb auch weitsichtige Manager, die den Mut für Investitionen aufbringen, die sich vielleicht erst mittel- oder langfristig auszahlen. Es ist die Aufgabe von Politik, Forschung und Gesellschaft, für diese Unternehmer einen wirtschaftlich attraktiven Rahmen zu schaffen. Erfahrungsgemäß wird der Kreislauf aus geringem Angebot und daraus resultierend aus geringer Nachfrage erst dann durchbrochen, wenn gewinnbringende Mengen an Rohstoff zur Verfügung stehen und die Politik Anreize schafft bzw. sogar Quoten vorgibt. Das funktioniert, wie das Beispiel Altglas belegt: Erst 1974 wurden in Deutschland flächendeckend Sammelcontainer eingeführt. Seither schnellte die „Behälterglasverwertung“ auf aktuell 87 Prozent hoch. Die Verpackungsverordnung fordert 75 Prozent – nur wenige gesetzliche Quoten werden so deutlich übertroffen.
Vom Bergmann zum Müllmann
Wo steht das, bitte?
Einweg-Plastikflaschen haben
bei Getränken einen Gesamt-
anteil von rund 52 %.
In Deutschland werden
stündlich 1,9 Millionen
Einweg-Plastikflaschen
verbraucht.
Nach der Rückgabe werden die
Flaschen sortiert und die einzelnen
Kunststoffe als Rezyklate separiert.
Kunststoffe können
stofflich oder biologisch
wiederverwendet werden.
85 % des Altglases werden zu
neuen Flaschen, aber nur knapp
20% der Kunststoffe finden
derzeit zurück.
Im pessimistischen Szenario „Dinosaurier-Denken“ kommt das Thema Circular Economy weder in Gesellschaft, noch in der Politik oder in den Märkten an. Die Studie prognostiziert in diesem Fall auf lange Sicht Energie- und Rohstoffknappheit. Dessen ungeachtet werden viele Player am Markt Teilbereiche bedienen und dies als Allheilmittel anbieten. Das alles verdeckt laut den Autoren aber nur den Blick auf lediglich aufgeschobene Probleme, die zwar verzögert, aber zwangsläufig auf den Menschen zukommen.
Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte aller vier Kreise.
07 - Ein Kreis besteht aus vielen Punkten
6 Monate lang erzeugen Blätter
Zucker, verdunsten Wasser und
kontrollieren den Gasaustausch.
Im Herbst wandern Nährstoffe
zurück in den Baum, übrig bleibt
Carotin - und damit braune,
herabfallende Blätter.
Nach der Rückgabe werden die
Flaschen sortiert und die einzelnen
Kunststoffe als Rezyklate separiert.
Kunststoffe können
stofflich oder biologisch
wiederverwendet werden.
85 % des Altglases werden zu
neuen Flaschen, aber nur knapp
20% der Kunststoffe finden
derzeit zurück.
Grüne Gründer
Die DIN SPEC 90051 bewertet die Nachhaltigkeit von Startups. Mit diesem Standard können junge Unternehmen ihr Nachhaltigkeitspotenzial bewerten. Ein Normenbuch für alle Akteure im Gründerökosystem. So wie Leaf Republic. Das Start-up hat es 2018 bis ins Finale von „Das Ding des Jahres“ geschafft. Die Idee: Einweggeschirr aus Laub. Womit sich der Kreis schließt. Zumindest auf dieser Seite.